Wikinger der Liebe
Gegners stand.
»Dann soll er eben zu mir kommen«, erwiderte er und zuckte lässig die Achseln. »Auf meinem eigenen Grund und Boden, in meiner eigenen Festung kann ich ihn mühelos besiegen. Nach seinem Tod wird ganz Mercia hinter mir stehen, und es dürfte mir nicht schwer fallen, Wessex und den Thron zu erobern!«
Das alles musste er von langer Hand geplant haben. Er glaubte felsenfest an seinen Erfolg. Aber Krysta nahm an, er würde sich bald an Hawks zahlreiche Schlachten erinnern, an die geschlagenen feindlichen Heere, die zerstörten Burgen. In wachsender Furcht würde er sich unberechenbar verhalten. Bis dahin wollte sie seine wahnwitzige Zuversicht für ihre eigenen Zwecke nutzen. »Je früher Ihr in Mercia eintreffen werdet, desto besser für Euch. Warum bin ich immer noch gefesselt? Wie sollte ich Euch und einem Dutzend bewaffneter Männer entfliehen?« Da er nicht antwortete, fügte Krysta hinzu: »Mein Gewicht und Eures wird das Tempo des Pferds drosseln. Lasst mich allein reiten.«
Er zögerte, und sie erwartete, er würde ihren Vorschlag ablehnen. Doch er wollte auf keinen Fall Zeit verlieren, und Krys tas Warnung leuchtete ihm ein. Außerdem bezweifelte er, dass eine Frau seinen Kriegern entrinnen konnte. Nachdem er einen knappen Befehl erteilt hatte, wurden Krystas Fesseln durchschnitten. Erleichtert seufzte sie auf und rieb ihre steifen Muskeln, um den Blutkreislauf anzukurbeln.
Als Udell sich abwandte und eine Satteltasche über den Rücken seines Pferds legte, bat sie: »Gebt mir Zeit, damit ich meine Notdurft verrichten kann.«
Ärgerlich drehte er sich zu ihr um. »Warum sollte ich?«
»Weil Ihr mich nicht fürchtet.« Mühsam stand sie auf. »Ihr fragt Euch nicht, warum Ihr von den Raben angegriffen wurdet. Und Ihr nehmt die Geschichte, die mein Halbbruder erzählt, nicht ernst. Ebenso wenig überlegt Ihr, warum der mächtigste englische Kriegsherr durch die Hölle galoppieren würde, um mich zu retten. Letzten Endes bin ich nur eine Frau.«
Trotz des schwachen Morgenlichts sah sie ihn erblassen. Hastig vergewisserte er sich, dass keiner seiner Männer zuhörte.
Dann zischte er: »Also gut, beeilt Euch! Wenn Ihr mich mit irgendwelchen Hexenkünsten zu überlisten versucht, werdet Ihr auf einem Scheiterhaufen verbrennen.«
Ehe er sich anders besinnen konnte, verschwand sie im Gebüsch. So töricht, einen sinnlosen Fluchtversuch zu wagen, war sie nicht, obwohl sie der Versuchung beinahe erlag. Um auf das Pferd an Udells Seite zu steigen, musste sie ihren ganzen Mut aufbieten. Die Zügel waren entfernt und ein Strick am Zaumzeug des Tiers festgebunden worden. Das andere Ende hielt Udell in der Hand. Während die Pferde davonsprengten, klammerte sich Krysta an den Sattelknauf.
Stundenlang ritten sie dahin, ohne das Tempo zu verlangsamen. Am Nachmittag war Krysta der Verzweiflung nahe. Wenn die Dunkelheit hereinbrach, mussten sie rasten. Sonst würden die Pferde zusammenbrechen. Und dann würde man sie wieder fesseln. Der Gedanke an die lange Nacht in der Nähe eines hasserfüllten, rachsüchtigen Mannes drohte ihr Blut zu gefrieren. Vielleicht wäre es besser, die erstbeste Gelegenheit zu nutzen und im Wald unterzutauchen. Aber wie sollte sie Udell und seinen Männern zu Fuß entkommen?
Während sie in ihrer müden Fantasie nach einem Hoffnungsstrahl suchte, entdeckte sie zwischen dicht belaubten Zweigen ein schimmerndes Gewässer, das schnell vorbeifloss. Unterwegs hatte sie den Fluss immer wieder gesehen, also musste die Straße parallel dazu verlaufen. Aber jetzt erschienen ihr die Wellen so nahe wie nie zuvor, und die Straße führte anscheinend darauf zu.
Wenig später bestätigte sich die Vermutung. Um die Straße auf der anderen Seite des Flusses zu erreichen, mussten sie über eine hölzerne Brücke reiten. Krysta beobachtete, wie sich das rauschende Wasser über Steinen brach und Gischtwolken in allen Regenbogenfarben emporschleuderte. Unter anderen Umständen hätte sie die Schönheit dieses Naturschauspiels genossen. Aber jetzt konnte sie nur an das baldige Ende des Tages denken, der ihr mitsamt seinem Licht auch alle Hoffnung rauben würde. Udell, an der Spitze des Trupps, versetzte sein Pferd in langsamen Trab. Donnernd polterten die Hufe über die ersten Bretter der Brücke - bis er seinen Hengst plötzlich zügelte. Ein Pfahl, von Holzblöcken gestützt, versperrte ihm den Weg. »Was zum Teufel ist das?«
Noch bevor die Worte verklangen, kam ein Mann unter der Brücke
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