Wikinger der Liebe
seine anerkennende Miene. Er führte sie zu ihrem Stuhl und setzte sich an ihre Seite. Auch die Ritter und Edvard nahmen an der Tafel des Festungsherrn Platz, die anderen Leute an den übrigen Tischen. Während die Diener mit gefüllten Schüsseln, Platten und Weinschläuchen umhereilten, schaute Krysta zu Thorgold und Raven hinüber. Beide wirkten gut gelaunt, der kleine Mann grinste sogar.
Vielleicht hing seine heitere Stimmung mit der erlesenen Mahlzeit zusammen. Einen Tag, nachdem verlautbart worden war, die Braut des Herrn sei angekommen, hatten sich der Koch und seine zahlreichen Hilfskräfte selbst übertroffen. Ein ganzes gebratenes Schwein wurde von vier Küchenjungen auf einer großen Trage hereingeschleppt und jubelnd begrüßt. Dann folgten andere Diener mit Hirsch- und Lammkeulen und Platten voller Krabben, Aale und Austern. Dazu gab es runde Brotlaibe und frisches Gemüse.
Wie üblich wurde Hawk zuerst bedient. Aber er suchte die appetitlichsten Leckerbissen für Krysta heraus. Sein höfliches Benehmen entging seinen Tischgefährten nicht. Viel sagend nickten sie einander zu. Von all den Köstlichkeiten verwirrt, fasste sich Krysta erst, als ihr Verlobter eine Scheibe Schweinefleisch auf ihre Seite des Silbertellers legte, den er mit ihr teilte. »O nein, danke«, protestierte sie.
»Magst du keinen Schweinebraten?«
»Zweifellos schmeckt er ausgezeichnet. Aber ich esse kein Fleisch.« Entschuldigend lächelte sie. »Alles andere sieht sehr verlockend aus.«
»Wenn du auf Fleisch verzichtest, wirst du krank«, gab Hawk zu bedenken und runzelte die Stirn.
Was sollte sie entgegnen, ohne ihm offenkundig zu widersprechen? Nach kurzem Zaudern zuckte sie die Achseln. »Für manche Menschen trifft das wohl zu - in meinem Fall nicht. Ich versichere dir, ich bin kerngesund, obwohl ich niemals Fleisch zu mir genommen habe.«
»Noch nie im Leben?«, fragte er ungläubig. Die einzigen Menschen in seinem Bekanntenkreis, die nahrhaften Fleischspeisen entsagten, waren ein paar Mönche. Und die wirkten nicht besonders kräftig. Alle anderen wussten einen saftigen Braten zu schätzen. »Dann hätten deine Eltern besser für dich sorgen müssen.«
»Oh, mein Vater war sehr gut zu mir.«
»Und deine Mutter?«
Krysta unterdrückte einen Seufzer. Schon zum zweiten Mal innerhalb einer Stunde wurde sie auf ein Thema angesprochen, das sie normalerweise nur mit Thorgold und Raven erörterte. Trotz ihres Unbehagens zwang sie sich zu antworten. »Kurz nach meiner Geburt verließ mich meine Mutter. Mein Vater hatte ihr ein eigenes Flaus geschenkt, nur einen Tagesritt von seinem Herrschaftssitz entfernt. Nachdem sie verschwunden war, wohnte ich dort - bis ich hierher kam.«
Nachdenklich schob Hawk das verschmähte Schweinefleisch auf seine Seite des Tellers. Krystas Erklärung ließ einiges zu wünschen übrig. Einerseits wollte er sie nicht bedrängen und womöglich alte Wunden aufreißen, andererseits musste er seine Neugier befriedigen. »Wohin ist deine Mutter gegangen?«
»Fort.« Hastig fügte sie hinzu: »Trotzdem wurde ich gut betreut.«
»Daran zweifle ich nicht. Und warum lebten deine Eltern nicht zusammen? Soviel ich weiß, ist es im Norden immer noch üblich, dass ein mächtiger Mann mehrmals heiratet.« Hatte eine ältere Gemahlin Krystas Mutter, die sicher eine Schönheit gewesen war, nicht in ihrem Heim geduldet?
»In meiner Familie wird diese Tradition nicht aufrechterhalten«, betonte sie ärgerlich. »Mein Vater nahm meine Mutter nach dem Tod seiner ersten Gemahlin zur Frau. Aus jener Ehe waren einige Kinder hervorgegangen, darunter mein Halbbruder Sven. Vermutlich fand mein Vater, es wäre besser, die beiden Familienzweige zu trennen.«
Dieses Arrangement erschien ihm außergewöhnlich. Aber er sagte nichts mehr dazu. Immerhin hatte er in den letzten Minuten sehr viel über seine Braut erfahren. Nun glaubte er zu wissen, warum sie so großen Wert auf eine erfolgreiche Ehe mit ihm legte. Offenbar hatten sich ihre Eltern nicht verstanden. Sonst wäre die Mutter nicht fortgegangen oder - was er für wahrscheinlicher hielt - weggeschickt worden. Ein solches Schicksal wollte sich Krysta verständlicherweise ersparen. Nachdem er diesen Schluss gezogen hatte, lächelte er zufrieden. Letzten Endes war es gar nicht so schwierig, eine Frau kennen zu lernen.
In bester Stimmung beschloss er, ihre merkwürdigen Essgewohnheiten vorerst auf sich beruhen zu lassen. Er legte ihr Krabben und Austern vor, die auch
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