Wikinger der Liebe
Begegnung quälte.
Daran hinderte ihn nur ihre Erklärung, vor der Ehe müssten sie einander besser verstehen, ebenso der seltsame Gedanke, Wolfs und Cymbras Glück wäre vielleicht gar nicht so einzigartig. Bisher hatte er die Liebe stets für ein romantisches Fantasiegebilde gehalten. Jetzt begann er sich zu fragen... Unmöglich! Nach so albernen Gefühlen würde er sich niemals sehnen. Er war einfach nur überrascht und ein bisschen verwirrt. Sonst nichts.
Nach dem Ritt wollte er Krysta eine Ruhepause gönnen, und er erinnerte sich an ihren fröhlichen Tanz am Strand unterhalb von Hawkforte. Deshalb band er die Pferde an einem Strauch fest, ergriff ihre Hand, und sie wanderten die Küste entlang. Soweit er sich entsinnen konnte, hatte er noch nie mit einer Frau einen Spaziergang am Strand unternommen, abgesehen von ein paar Schritten an der Seite einer Dame, die er in Alfreds Win- chester-Palast zur Tafel geleitet hatte. Plötzlich wusste er nicht, worüber er mit ihr reden sollte. Von dem neuen Speer, den er entworfen hatte und den seine Männer gerade zu benutzen lernten, wollte sie sicher nichts hören. Ebenso wenig würde sie es genießen, die Schlachten zu erörtern, die er in Gedanken ausfocht, die Strategien, die er entwickelte, um seine Feinde zu schlagen. Die Frauen, die er am Hof getroffen hatte, beherrschten die Kunst der Intrige geradezu meisterhaft und schwärmten für die Finessen der Politik. Niemals würde er den Fehler begehen, eine dieser Ladys zu unterschätzen. Krysta war anders. Mit ihrer Sanftmut weckte sie Erinnerungen an seine Mutter. Trotzdem durfte er sie nicht für feige halten. Schon mehrmals hatte sie ihn wie eine Furie angefaucht. Lächelnd dachte er an ihre äußere Erscheinung nach dem unfreiwilligen Bad — triefnass, mit schwarzer Farbe bekleckst. Aber sie hatte ihre Würde gewahrt. Sicher würde sie ihm charakterfeste Söhne und Töchter schenken.
Dieser Gedanke war ein Fehler, denn er spürte, wie seine Erregung wuchs. Teils verblüfft, teils erfreut ließ er Krystas Hand los, bückte sich und hob eine graurosa Muschel auf. Sie war völlig unversehrt und schimmerte irisierend. Während er sie hin und her drehte, bewunderte er ihre schlichte Perfektion und ihre Fähigkeit, im stürmischen Meer zu überleben. Er wollte sie in die Wellen zurückwerfen. Doch dann besann er sich anders und übergab sie Krysta. Mit einem scheuen Lächeln nahm sie die Muschel entgegen.
Ein paar Sekunden lang glaubte er, in diesem Lächeln zu ertrinken. Dann riss er sich zusammen. »Dort drüben bei den Felsen tummeln sich manchmal Delfine.«
Sie folgte seinem Blick zum blaugrünen Wasser. Schäumend schlug es gegen Felsen, die so aussahen, als hätte sie ein verspielter Riese am Strand verstreut. »Ich habe noch nie Delfine gesehen. Nach Vestfold kommen sie nicht, weil es zu weit oben im Norden liegt.«
»Schauen wir, ob welche da sind.« Auf dem Weg zu den Felsblöcken mahnte er: »Pass auf, die Steine sind nass und glitschig.«
Obwohl sie nickte, galt ihre Aufmerksamkeit dem Meer. Wie immer weckte dieser Anblick und der Salzgeruch eine schmerzliche Sehnsucht. Der Wind brannte in ihren Augen. Über ihre Wangen liefen Tränen, die sie ungeduldig wegwischte. Ein Schemen bewegte sich im Wasser und kam rasch näher. Plötzlich ragte ein Kopf empor, und Krysta lachte entzückt, als sie das breite Grinsen des Delfins sah. »Oh, wie wundervoll!«, rief sie. Ohne lange zu überlegen, trat sie ans Ufer heran und stieg auf rutschigen Seetang, der einen Felsbrocken bedeckte. Sie strauchelte und streckte beide Arme aus, um ihr Gleichgewicht wiederzugewinnen - ohne Erfolg. Schreiend fiel sie ins Wasser.
Wie gelähmt stand Hawk da. Ein Mann, der in hundert Schlachten nie gezögert, dem seine Geistesgegenwart schon oft das Leben gerettet hatte, starrte ein paar Sekunden lang fassungslos ins Meer. Nein, seine Braut konnte nicht in den Wellen verschwunden sein. So viel versprechend hatte der Tag begonnen. Auf so schreckliche Weise durfte er sich nicht verdunkeln.
Wütend verfluchte er das Schicksal, warf seinen Umhang beiseite und sprang ins Wasser. Wenig später tauchte er auf und schaute sich verzweifelt um. Als er Krysta noch immer nicht entdeckte, holte er tief Luft und versank wieder in den Wellen. Vergeblich suchte er nach seiner Verlobten. Brennende Lungen zwangen ihn, wieder emporzutauchen. Nach einem weiteren tiefen Atemzug wollte er wieder hinabschwimmen. Doch da bemerkte er eine Gestalt, die sich
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