Wikinger der Liebe
eine geschützte Bucht, bevor der heulende Sturm und das schäumende Meer unser Boot zertrümmerten. Die letzten paar Hundert Fuß bis zum Strand mussten wir schwimmen, das kostete unsere ganze Kraft. Glücklicherweise konnten wir das Ende des Unwetters in einer Höhle abwarten. Als wir ins Freie traten, sah die Welt völlig verändert aus. Umgestürzte Bäume lagen aufeinander, der Strand war verschwunden, das Gras flach gedrückt. Fast alle Bauernhütten hatte das Gewitter vernichtet und viele Menschen getötet. Sogar das hölzerne Kirchendach war weggerissen worden.«
Atemlos hatte Krysta zugehört. Auch sie hatte wilde Stürme mit angesehen. Oft war sie wochenlang in ihrem Haus auf den Klippen eingeschneit gewesen. Von großen Eiszapfen beschwert hatten sich die Bäume zu Boden geneigt. Aber von einem so schrecklichen Unwetter, wie Hawk es beschrieben hatte, war sie niemals heimgesucht worden. »Und du glaubst, diese Gefahr droht uns jetzt?«
»Ich halte es durchaus für möglich. Aber mach dir deswegen keine Sorgen, die Mauern von Hawkforte werden der Wut aller Elemente standhalten.« Er warf einen Blick zu seinen Männern hinüber, die gerade aufstanden, um weiterzuarbeiten. »Geh jetzt in die Festung zurück, Krysta, und ruh dich aus. Du hast genug getan.«
»Was, ich soll mich ausruhen? Wenn alle anderen die ganze Nacht arbeiten?« Außer Daria und dem Priester, dachte sie. Keinen der beiden hatte sie hier draußen gesehen.
»Von dir darf ich das nicht erwarten. Für eine Lady hast du mehr als genug geleistet.«
Wie sollte sie das auffassen? War sie keine Lady, weil sie genauso hart gearbeitet hatte wie die einfachen Leute? Oder glaubte er, sie wäre so zart gebaut, dass sie sich keine weiteren Anstrengungen zumuten durfte. Widerstrebend erinnerte sie sich an Darias Behauptung, Hawk habe geplant, eine »vornehme Lady« zu heiraten. »Ich helfe sehr gern bei der Ernte«, beteuerte sie.
»Trotzdem musst du dich ausruhen. Wir kommen sehr gut voran. Geh jetzt.« Er tätschelte ihren Rücken und gab ihr einen leichten Stoß in die Richtung von Hawkforte.
Nur zögernd verließ sie die Felder. Sie wollte ihrem Bräutigam nicht widersprechen, geschweige denn, den Eindruck erwecken, sie wäre keine Lady. Ein paar Mal spähte sie über die Schulter und hoffte, Hawk würde sich anders besinnen. Doch er war viel zu beschäftigt, um ihr nachzuschauen. Rhythmisch und geschmeidig warf er ein schweres Garbenbündel nach dem anderen auf den Wagen. Wie schon so oft verrieten die mühelosen Bewegungen seine Stärke und Willenskraft.
Ihr Kleid klebte am Rücken, und sie betrachtete ihre schmutzigen Hände. Genauso unsauber fühlte sich ihr Gesicht an. Als ihr bewusst wurde, in welchem Zustand Hawk sie gesehen hatte, stöhnte sie. Langsam ging sie weiter. Sie war müde, und der Gedanke, in einem Raum mit kühlen steinernen Mauern zu sitzen, erschien ihr sehr verlockend. Trotzdem wäre sie lieber auf den Feldern geblieben. Alle außer Daria und Vater Elbert, ihrem Günstling, würden die ganze Nacht arbeiten. Während sie an einigen Leuten vorbeikam, die ein anderes Feld abernteten, entdeckte sie Raven und Thorgold. Sie saßen gerade auf Getreidesäcken, um sich ein bisschen auszuruhen. Lebhaft schwatzten sie mit ein paar Stadtbewohnern, die etwas verwirrt wirkten, aber froh über die Hilfe der beiden waren. Im kühlen Schatten schliefen die kleinen Kinder, die älteren eilten immer noch umher, um verstreute Garben einzusammeln. Sie alle leisteten ihren Beitrag zur überstürzten Ernte. Nur Krysta durfte sich nicht daran beteiligen. Weil sie eine Lady war, zu schwach für diese harte Arbeit...
Welch ein Unsinn! Wenn Hawk das vermutete, würde er eine Enttäuschung erleben. Sie schaute wieder über ihre Schulter und vergewisserte sich, dass sie sich außerhalb seines Blickfelds befand. Da stand ihr Entschluss fest. Später würde er ihr zürnen. Aber dieses Wagnis nahm sie gern auf sich. Wie sollte sie Schlaf finden, wenn sich alle anderen die ganze Nacht hindurch abrackerten?
Als sie einige Frauen erreichte, die Ähren bündelten, gesellte sie sich hinzu und begann, ihnen wortlos zu helfen. Eine Zeit lang wurde sie kaum wahrgenommen, nur ihre willkommenen emsigen Hände, die bald schmerzten, ebenso wie ihr Rücken. Ihre Arme wurden immer schwerer. Doch sie gab sich nicht geschlagen. Garben sammeln - zusammenbinden - sammeln - zusammenbinden - immer wieder, bis Krysta nicht mehr wusste, wie viel Zeit verstrichen war. Sie
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