Wikinger der Liebe
dürfte ich nicht mit dir reden.«
»Dagegen ist nichts einzuwenden. Ehrlichkeit ist mir lieber als Heuchelei.« Aber er sprach in kühlem Ton, um ihr zu bedeuten, nicht nur sie könnte verletzend wirken.
»Ich wollte nur ausdrücken, dass die Männer nicht daran gewöhnt sind, Frauen richtig kennen zu lernen. Männer begnügen sich oft mit ein paar kleinen Einzelheiten, die sie herausgefunden haben.«
Da musste er ihr Recht geben. Schon nach kurzer Bekanntschaft glaubte er, sie gut zu kennen. Aber er schien mehr über sie zu wissen als sie über ihn. »Ja, meine Bücher sind mir sehr wichtig. Das weiß jeder in dieser Festung. Und ich bemühe mich um den Frieden. Auch das ist offensichtlich, weil unsere Verlobung darauf beruht. Und ich bin tatsächlich ein starker Kommandant. Doch das alles könnte ich als schlichte Schmeichelei betrachten. Also sag mir, was du sonst noch über mich erfahren hast.«
Krysta zögerte sehr lange. Sollte sie die Herausforderung annehmen? Dann müsste sie zumindest einen Teil ihrer Seele enthüllen - falls Hawk so scharfsinnig war, das zu merken. Wie auch immer, ihr Stolz trieb sie zu diesem Wagnis. »Dein tiefes, herzhaftes Gelächter scheint die Leute zu verwirren. Anscheinend hören sie’s nur selten, und ich frage mich, ob’s auch dich verblüfft. Du wirfst gern Steine übers Meer. Das kannst du sehr gut. Du achtest auf die Kinder und möchtest sie nicht erschrecken. Von Gefühlen lässt du dich nicht leiten. Dein Verlangen nach mir missfiel dir, solange du dachtest, ich wäre eine Dienerin. Und so hast du deine Leidenschaft bekämpft, genauso wie deinen Zorn, als du mich durchschaut hattest. Da du niemals die Kontrolle verlieren willst, trinkst du nur mäßig. In einer chaotischen, grausamen Zeit bist du zum Mann gereift. Aus diesem Grund legst du großen Wert auf Recht und Ordnung. Du liebst dieses Land und seine Bewohner. Dafür würdest du sterben, in der festen Überzeugung, der Preis wäre nicht zu hoch. Wenn du müde bist, zuckt ein winziger Puls über deinem rechten Auge. Soll ich fortfahren?«
»Nicht nötig, Lady«, entgegnete er hastig. »Ich bewundere deine Klugheit.« In Wirklichkeit fühlte er sich verlegen und beglückt zugleich. Niemals hätte er erwartet, jemand könnte so viel über ihn herausfinden, und er fragte sich, was er sonst noch wider Willen offenbart hatte.
Während er Krysta betrachtete, überlegte er, wie viele Sommersprossen ihre Nase zieren mochten und ob er sie wieder zu einem Ausritt einladen sollte. Dann lenkte ihn ein plötzlicher Windstoß von diesen Gedanken ab. Die Augen zusammengekniffen, schaute er zum Himmel hinauf, der genauso aussah wie seit Stunden, mit hohen weißen Wolken. Hawk wurde dennoch von einer bösen Ahnung befallen. Reglos stand er da und holte tief Atem. Die Luft roch schwül und stickig. Am Morgen hatte sie sich kaum bewegt, und dann war eine Brise aufgekommen, gefolgt von einem heftigen Windstoß. Bei der nächsten Bö drang ihm ein sonderbarer Geruch in die Nase, den er erst zum zweiten Mal in seinem ganzen Leben wahrriahm.
Das Schicksal hatte ihn zum Kriegsherrn bestimmt. Aber er war der geborene Seefahrer. Er kannte alle Spielarten des Windes und des Wassers. Nicht nur der plötzliche Wetterumschwung, auch sein Instinkt verriet ihm, was jenseits des Horizonts lag. »Ich muss sofort mit Edvard reden«, erklärte er. »Komm mit mir, Krysta.«
»Die Ernte geht gut voran, Mylord«, versicherte der Verwalter, sichtlich verwirrt, weil Hawk um diese Tageszeit nach ihm gerufen hatte, in der er sich normalerweise mit anderen Dingen beschäftigte. Trotzdem hatte Edvard alle Fakten und Zahlen parat, wie üblich. »Nach meiner Schätzung müsste die halbe Gersten- und Haferernte eingebracht sein, ebenso ein Großteil der Äpfel.
Die Leute sind sehr fleißig. Wahrscheinlich haben wir am Wochenende alles unter Dach und Fach.«
»Das freut mich zu hören. Aber so lange darf es nicht dauern. Bis morgen Abend muss die ganze Ernte eingefahren werden.«
Fassungslos schnappte Edvard nach Luft. »Schon morgen? Mylord, wie wäre das möglich? Abgesehen von der Garnison arbeiten alle Eure Untertanen auf den Feldern, vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Dunkelheit.«
»Stellen wir Fackeln am Rand der Felder auf. Natürlich werden die Wachen ihren gewohnten Dienst tun. Doch die restliche Garnison soll die Schwerter beiseite legen und Sicheln ergreifen. In der morgigen Abenddämmerung will ich nur mehr kahle Felder sehen.
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