Wikinger der Liebe
Sekunden lang wartete er, während sie eine nahe liegende Antwort hinunterschluckte, dann brach er in Gelächter aus. Ein aufreizender Blick jagte einen Schauer durch ihren ganzen Körper. »Was mir am allerbesten gefällt - man kann dich so wundervoll hänseln.«
»Sonst noch was?« Unwillkürlich fügte sie hinzu: »Abgesehen von der Tatsache, dass ich mich nicht von der übrigen Besatzung unterscheide?«
Grinsend neigte er sich zu ihr und senkte die Stimme. »Falls dich das beunruhigt, meine Süße, werden wir bald einen abgeschiedenen Strand finden oder noch besser, ein breites Bett, wo uns niemand stören kann.«
Nur wegen der heißen Sonne brennen meine Wangen, redete sich Krysta ein. Mit ein paar betörenden Worten kann er mir nicht das Blut ins Gesicht treiben. O nein, sie war kein unreifes Mädchen, das sich vom großmächtigen Lord H awk in Verlegenheit bringen ließ, sondern ein ehemaliges unreifes Mädchen, hingerissen von... Seufzend starrte sie aufs Meer.
Eine Zeit lang betrachtete er ihre Miene, dann lachte er leise und folgte ihrem Beispiel.
Bei Sonnenuntergang ritten sie nach Winchester. Die Pferde waren von Bord des Langschiffs gegangen, das sie begleitet hatte, um die Tiere und weitere Mitglieder von Hawks persönlicher Wache zu befördern. Zum ersten Mal erblickte Krysta den englischen Regierungssitz, der ihr den Atem nahm. Hawk hatte ihr erklärt, diese Festung sei größer als seine eigene. Aber was das bedeutete, hatte sie sich nicht vorgestellt. Nun folgten sie einer breiten, geraden Straße zu massiven steinernen Mauern, umgeben von einem breiten Burggraben. Darin konnten ganze Heere verschwinden. Vor lauter Staunen traute sie ihren Augen nicht. Im schwindenden Licht der Abendröte - verstärkt von Fackeln, die alle paar Schritte loderten - wirkten die Mauern neu oder fast neu. An manchen Stellen schimmerten immer noch die weißen Spuren der Meißel, und die schweren Torflügel zeigten den hellen Glanz jungen Eichenholzes.
»Alfred hat Winchester wieder aufbauen lassen«, berichtete Hawk. In seinem Festgewand mit Goldschmuck war er eine gebieterische Gestalt an ihrer Seite. Hinter ihnen ritt seine Wache in disziplinierter Formation, die flatternden Banner mit dem
Habichtsemblem hoch erhoben. »Während der Regentschaft seines Vaters brannte der dänische Feind die Stadt bis auf die Grundfesten nieder.«
»Wurde der Wiederaufbau unter seiner persönlichen Leitung durchgeführt?«
»Ja, Alfred hat viele Gesichter. In erster Linie ist er ein König und Krieger. Aber neben seiner Leidenschaft für Bücher liebt er auch die Architektur, da fasziniert ihn jede kleinste Einzelheit. Zudem besitzt er ein außergewöhnliches Organisationstalent, das zeigt sich in allem, was er in Angriff nimmt.«
Wenig später passierten sie das Haupttor, und Krysta sah, was Hawk meinte. Die Stadt war wie ein Gitter angelegt. Von der langen, breiten Mittelstraße, die vom Tor zum königlichen Schloss führte, zweigten Seitenstraßen in entgegengesetzte Richtungen ab. Entlang der Innenmauer verband eine weitere breite Straße alle Tore. Wohin immer Krysta schaute, sah sie stattliche oder schlichtere Häuser, Läden und Werkstätten. Aber am meisten verblüffte sie das rege Leben und Treiben. Trotz der späten Stunde waren zahlreiche Menschen unterwegs, drängten sich in den Straßen, gingen in den Häusern aus und ein oder verhandelten mit Kaufleuten. Adelige Herrschaften mischten sich unter Bauern, bebrillte Gelehrte, Priester und Mönche. Zusammen mit ihren Pferden und Ochsenkarren erzeugten sie einen Lärm, wie sie ihn nie zuvor wahrgenommen hatte. Vom Gestank ganz zu schweigen.
Lachend musterte Hawk ihre gerümpfte Nase. »Daran wirst du dich bald gewöhnen. Zum Glück liegt Alfreds Residenz in einer Richtung, in die der Wind nur ganz selten weht. Dort wirst du nichts mehr riechen.«
»Hoffentlich«, murmelte Krysta. Die Höflichkeit verbot ihr eine ausführlichere Antwort. Doch sie sehnte sich schon jetzt nach der frischen Meeresluft von Hawkforte. Natürlich war das albern, denn sie wusste nicht, was mit ihr geschehen oder wohin sie gehen würde, wenn sie Hawk endlich klar gemacht hatte, er müsse die Verlobung lösen. Da s würde er letzten Endes einse hen. Kein Mann, der so tapfer gekämpft, so viel ertragen und geleistet hatte, würde alles aufs Spiel setzen, indem er eine unwürdige Frau heiratete. Und wenn er das nicht begriff, würde sie eben stark genug für sie beide sein, ohne Rücksicht
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