Wikinger meiner Traeume - Roman
Wie
Rycca gehört hatte, besuchte er Verwandte im Landesinneren. Für seine Abwesenheit war sie dankbar, denn sie konnte das Unbehagen, das er ihr bereitete, nicht mehr verdrängen.
Um diese späte Stunde eilten immer noch ein paar Dienstboten geschäftig umher. Doch sie würden bald schlafen gehen. Die fast herabgebrannten Fackeln warfen lange Schatten auf den Herd in der Mitte des Raums, der an diesem milden Abend kalt geblieben war. Zwischen den geöffneten Fensterläden wehte eine sanfte Brise herein. Einer der zahlreichen Hunde, die in der Festung hausten, lag zusammengerollt vor Dragons Füßen. Wie oft musste sich Rycca zwingen, ihren Mann nicht anzustarren. Er sah einfach hinreißend aus mit seinen ebenmäßigen, markanten Gesichtszügen. Und erst sein Körper... Sie schluckte krampfhaft. Sicher war es besser, nicht daran zu denken.
»Nachdem beide Ehepaare so viel erdulden mussten, dürfen sie sich jetzt doppelt glücklich schätzen«, meinte sie.
Dragon ergriff seinen Weinkelch. Langsam drehte er ihn hin und her. Aber er trank nicht daraus. Über den vergoldeten Rand hinweg musterte er seine schöne Frau. An diesem Abend wirkte sie besonders nachdenklich. Ihre Wangen schimmerten rosig. In ihren Augen tanzte der Flammenschein. Dragons Blick blieb an ihren Lippen hängen, und er schaute rasch weg.
»Hat Cymbra dir von Daria erzählt?«
»Ja.«
»Das dachte ich mir, und ich fand, du solltest es aus ihrem Mund erfahren. Jetzt kann Daria niemandem mehr schaden.«
»Cymbra erwähnte, die Frau würde in einem Kloster leben.«
»In diesem Konvent werden Kranke und Geistesgestörte betreut. Die Nonnen sind barmherzig, aber nicht dumm. Was Daria tat, wissen sie. Deshalb wird sie streng bewacht.«
»Und der Priester?«
»Vater Elbert sitzt im Domkapitel seines Ordens hinter Schloss und Riegel. Obwohl er steif und fest behauptete, er sei an jenen Missetaten fast gar nicht beteiligt gewesen und nur gelegentlich in Darias unheilvollen Bann geraten, glaubte ihm niemand. Offensichtlich muss ein Mann die tückischen Pläne geschmiedet haben.«
»Warum offensichtlich?«
Dragon lächelte. Welch ein aufsässiges kleines Ding... Er freute sich darauf, Rycca zu besänftigen. Bald würde sie Wachs in seinen Händen sein. Sehr bald. »Nichts für ungut, Lady. Das sage ich nur, weil alles darauf hinwies. Ein Abgesandter meines Bruders übergab Hawk den Brief, in dem Wolf um Cymbras Hand anhielt, und kehrte nie nach Sciringesheal zurück. Wahrscheinlich wurde er für immer zum Schweigen gebracht. Wenn Daria auch versuchte, Krysta zu ermorden – sie hätte es niemals geschafft, einen bärenstarken Wikinger zu töten, der doppelt so groß war wie sie. Die Nachricht mit Hawks Siegel übergab uns ein kornischer Handelsreisender, der Sciringesheal und Hawkforte häufig besucht. Dieser ehrbare Mann erzählte uns, ein Unbekannter, in Hawks Farben gekleidet, habe ihm den Brief anvertraut und ihn für seinen Botendienst bezahlt. Das glaubten wir ihm. Aber Daria übte keinen Einfluss auf Hawks Krieger aus, und keiner hätte einen Auftrag von ihr erledigt.«
»Hat einer von Hawks Männern jemals gestanden, er sei an den kornischen Handelsreisenden herangetreten?«
»Nein, und das bewog uns zu der Vermutung, der Betreffende könnte geahnt haben, dass irgendetwas mit diesem Brief nicht stimmte, und längst geflohen sein.«
»Oder er zählte gar nicht zu Hawks Kriegern und hat sich nur verkleidet.«
»Genau. Jedenfalls – ob er nun zur Garnison gehörte oder nicht-, er hätte keinen Befehl von Daria entgegengenommen. Sie war sehr unbeliebt und das Gespött aller Bewohner von
Hawkforte. Also musste ein Mann dahinter stecken, nämlich Vater Elbert.« Dragon zog Ryccas Hand an seine Lippen. »Weder von diesem Priester noch von der grässlichen Frau hast du irgendetwas zu befürchten, da die leidige Angelegenheit endgültig abgeschlossen ist.«
Er sprach im Brustton der Überzeugung, und sie fand keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln. Trotzdem stieg eine vage Sorge in ihr auf. Diese innere Unrast verfolgte sie hartnäckig, während sie mit Dragon zu ihrem Haus ging und in seinen Armen die Freuden der Liebe genoss. Immer wieder musste sie an den Mann denken, der den Frieden zwischen zwei Völkern beinahe zerstört hätte. Im Priestergewand sah sie ihn nicht. Stattdessen erschien eine schattenhafte, gesichtslose Gestalt vor ihrem geistigen Auge.
Am nächsten Morgen segelte Wolfs Drachenschiff mit der Flut davon. Als es
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