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Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer

Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer

Titel: Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brunnen Verlag , Lynn Vincent
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winzigen Kabine hin und her geworfen wie ein Tischtennisball.
    Da half nur, mir selbst Mut zu machen.
Du schaffst es, Abby! Lass dich nicht hängen! Du kannst nicht alles gleichzeitig machen – immer schön eins nach dem anderen
.
    Der offene Ozean führt Segler an ihre körperlichen Grenzen und darüber hinaus. Das Segeln wird dann zu einem Akt reiner Willenskraft. Nie durfte ich zulassen, dass die Angst die Oberhand gewann. Denn wenn man anfängt, sich auszumalen, was alles passieren könnte, lähmt die Angst das Denken und man kann nichts mehr machen. Auf See hängt das Überleben von klaren Gedanken und schnellem, entschlossenem Handeln ab. Entscheidungen müssen sofort getroffen werden. Man darf keine kostbare Zeit verschwenden. Aber ich musste lernen, dass es Situationen gibt, in denen alle Willenskraft nicht ausreicht, egal, wie stark ich mich fühlte.
    Am 10. Juni 2010 kam ich mitten im Indischen Ozean in das schwerste Unwetter meiner gesamten Tour. Wind und Wellen prügelten auf mein Boot ein und brachten es insgesamt vier Mal zum Kentern, sodass der Mast waagrecht aufs Wasser gedrückt wurde. Unter Deck musste ich mich festbinden, damit ich nicht dauernd gegen die Kabinenwände geschleudert wurde. Jedes Mal, wenn eine Sturzsee die
Wild Eyes
unter sich begrub, stieg der Autopilot aus und schaltete in den Stand-by-Modus. Und jedes Mal, wenn das Boot sich wieder aufrichtete, musste ich nach oben hechten, ins Cockpit springen und die Ruderpinne herumreißen, um von Hand zurück auf Kurs zu steuern.
    Ich öffnete die Luke zum Niedergang und sah, wie die
Wild Eyes
in der schweren See rollte und krängte. Von draußen drang das Brüllen des Windes an meine Ohren. Wellen schlugen über meinem Boot zusammen, Salzwasser klatschte mir ins Gesicht und nahm mir den Atem. Ich musste mein Trapez am Geländer einhaken, bevor ich den Niedergang hochklettern konnte. Das Deck war nicht mehr waagrecht, sondern ragte rechts wie eine hohe Wand vor mir auf. Ich machte einen Schritt nach draußen und suchte mit den Füßen Halt auf der schmalen Innenwand des Cockpits, die knapp unter der Wasserlinie lag. Die
Wild Eyes
rollte heftig in den Wellenbergen und tauchte immer wieder ein. Gischt peitschte mir ins Gesicht und hüllte das senkrechte Deck in weißen Nebel. Immer noch auf der Cockpitwand balancierend, tastete ich mich langsam voran. Dabei versuchte ich krampfhaft, nicht daran zu denken, dass der einzige feste Boden, den ich unter den Füßen hatte, der Meeresboden unter mir und das nächste erreichbare Land das 700 Meilen entfernte Kerguelen-Archipel war.
    Ich spürte, wie die Angst in mir hochstieg, obwohl ich verzweifelt dagegen ankämpfte. Mit aller Kraft konzentrierte ich mich darauf, was zu tun war.
Weiter, Abby. Geh weiter, bis zum Cockpit. Nimm die Ruderpinne. Steuere das Boot
.
    Als ich wieder in der Kabine war, wurde die
Wild Eyes
zum vierten Mal von einer Sturzsee überrollt, schlimmer als vorher. Noch bevor ich die Luke öffnete, wusste ich, dass der Mast komplett unter Wasser gedrückt worden war – und das war nicht gut. Mit klopfendem Herzen wartete ich. Ich hörte nur das Brüllen des Windes und das Geräusch der Stage und Beschläge, die gegen den Mast schlugen. Ich hielt den Atem an.
    Wird sich das Boot wieder aufrichten? Oder wird es diesmal durchkentern?
    Ich spürte, wie die
Wild Eyes
tapfer gegen die Wellen ankämpfte – und dann langsam und allmählich wieder hochkam.
    Erleichtert atmete ich auf.
Ich liebe dieses Boot!

1 G UADALUPE
Baja California, Mexiko, 2001
    „Schau mal, Papa, ein Panga (mexikanische Bezeichnung für ein Skiff, kleines Boot; d. Übers.)!“ Aufgeregt zeigte Abby Richtung Insel. Vor ihnen lag die Insel Guadalupe, westlich der Halbinsel Baja California, dem nördlichsten Bundesstaat Mexikos. Auf der kargen Insel lebten nur etwa zwei Dutzend Menschen, die meisten von ihnen Hummer- oder Muschelfischer. Hier gingen die Sunderlands auf ihrer Reise das erste Mal vor Anker. Die Reise war ein lang gehegter Traum: ein Segeltörn entlang der mexikanischen Küste, im eigenen Boot und mit der ganzen Familie.
    Sanft zog die Dämmerung herauf, als die 15-Meter-Jacht
Amazing Grace
leise um die Südspitze der Insel in eine majestätische Bucht glitt. Laurence und Marianne standen mit den Kindern am Bug: Zac, damals 10 Jahre, Abby (8), Toby (4) und Jessica (3). Zusammen blickten sie staunend nach oben. Die Bucht bildete einen natürlichen Hafen und war von Backbord her durch rötliche, 200 m hohe

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