Wild Eyes - mit dem Wind um die Welt - mit 16 allein auf dem Meer
Trotzdem war uns nie ganz wohl dabei, wenn wir sahen, wie sie hinter unserem Boot ins Wasser glitten. Unser Dingi hatte zwar einen Außenborder und einen festen Boden, war aber ansonsten ein Schlauchboot – und somit für Krokodilzähne kein Problem.
Einmal, als wir an einem Spätnachmittag mit dem Dingi durch die Bucht zurück zur
Amazing Grace
fuhren, sahen wir einen jungen Wal, der übermütig aus dem Wasser herausschnellte und mit lautem Klatschen zurück ins Meer fiel. Das Tier war riesig, gut dreimal so groß wie unser kleines Boot, und seine noch größere Mutter zog in der Nähe ihre Kreise. Ich war begeistert. Ich liebe Tiere und wollte damals unbedingt entweder Tierärztin oder Tierpflegerin werden. Immer wieder schoss der Wal aus dem Wasser, dass es nur so spritzte. Noch nie hatte ich so etwas Schönes gesehen – viel schöner als Disneyland und besser als Geburtstag und Weihnachten zusammen!
Jedes Mal, wenn der Babywal neben seiner Mutter im Wasser landete, schoss eine weiße Gischtfontäne wie ein Geysir in die Höhe. Vorsichtig steuerte mein Vater das Dingi näher heran, bis wir nur noch etwa zwölf Meter von den gigantischen Meeressäugern entfernt waren. Wir saßen im Boot und hielten den Atem an, bis der junge Wal wieder aus dem Wasser schnellte, und riefen aufgeregt: „Da, da!“ und „Wow!“. Dabei durften wir „Big Mama“ nicht aus den Augen lassen. Es sind schon Boote von Walmüttern gerammt worden, wenn sie ihren Babys zu nahe kamen.
Doch die beiden schien unsere Anwesenheit nicht zu stören. Der Jungwal schoss mindestens ein Dutzend Mal aus dem Wasser. Es gibt verschiedene Theorien, warum Wale so was machen, darüber hatte ich schon gelesen – zum Beispiel, dass die Tiere auf diese Weise miteinander kommunizieren. Das Geräusch, das beim Aufprall auf die Wasseroberfläche entsteht, dient ihren Artgenossen als Signal. Eine andere Theorie ist, dass sie sich damit von Schmarotzern befreien, die sich auf ihrer Haut festgesetzt haben. Für mich sah es an dem Tag so aus, als wollte der kleine Wal seiner Mama zeigen, wie hoch er schon springen konnte. Und seine Mutter, die ihn umkreiste, sagte bestimmt unter Wasser zu ihm: „Das war toll! Das nächste Mal noch ein bisschen höher!“
Danach malte ich auf der
Amazing Grace
mit Wasserfarben ein Bild von dem springenden Wal und schickte es meinem Großpapa Al in San Diego, der dort als Maschinenbauingenieur arbeitete. Er nahm mein Kunstwerk mit ins Büro und hängte es sich über den Schreibtisch.
Wir sahen noch viele andere tolle Tiere, wie Haie, Elefantenrobben und Meeresschildkröten. Wenn die Schildkröten an der Oberfläche schwammen, setzten sich manchmal die Möwen auf ihren Rücken und fuhren per Anhalter mit. Oder diese komischen schwarzen Vögel mit großen roten Airbags unter dem Schnabel und ihren kleinen, flauschigen Küken. Oder die meterlangen Leguane, die sich auf den warmen Steinen der Wellenbrecher sonnten.
Wir lernten auch eine Menge interessanter Leute kennen, zum Beispiel die Swedbergs oder Diane, eine mit allen Wassern gewaschene Soloseglerin, die mit zwei großen Papageien unterwegs war. Es gab die unterschiedlichsten Typen: die Seezigeuner, die ihre abenteuerlich aussehenden Boote mit Draht und Kaugummi zusammenhielten, und die reichen Jachtbesitzer mit ihren PS-starken Powerbooten, die mit voller Motorkraft und unter ärgerlichen Blicken der anderen zu ihren Liegeplätzen im Hafen rauschten.
Wir gingen zwar nicht zur Schule, aber meine Mutter unterrichtete uns auf dem Boot. Am liebsten hätte ich natürlich ganz auf Schule verzichtet, aber eigentlich machte uns der Unterricht bei meiner Mama sehr viel Spaß. Immer kamen auch die Tiere und Menschen vor, denen wir begegnet waren. Genau genommen war unser Segeltörn wie ein einziger, langer Schulausflug. Unser Leben war so viel aufregender als das Leben an Land in einem gewöhnlichen Haus. Ich liebte dieses freie, abenteuerliche Leben, die exotischen Inseln, die fröhlichen Menschen, das immer warme, sonnige Wetter, die vielen Tiere und die „Sandball-Schlachten“ am Strand mit den anderen Bootskindern. Wenn man das alles erlebt hat, ist es schwer, sich wieder an ein „normales“ Leben zu gewöhnen.
Später, als wir wieder in unserem Haus in Thousand Oaks wohnten, war es für mich zuerst total komisch, so viel Platz zu haben – so viel, dass man im Wohnzimmer Rad schlagen konnte! Natürlich mussten wir uns dann auch wieder an den normalen Schulalltag gewöhnen.
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