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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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richtig.«
    Tja. Das war tatsächlich kaum zu glauben.

5.
    Nach der Glücksgabe wartete ich wie meistens auf Lucky, und wir gingen zusammen zur Mensa. Ich hoffte, dass er mich nicht auf den Kuss ansprechen würde. Was sollte ich sagen, wenn er wissen wollte, ob es mir gefallen hatte?
    Diesmal kam ich sogar durch die Schwungtür, ohne mich zu verletzen. Ich schlüpfte hindurch, überholte Lucky und war noch vor ihm an unserem Tisch, den Moon für uns freigehalten hatte.
    »Hey«, begrüßte sie mich. »Du brauchst gar nicht so zu grinsen. Es gibt Tofu-Bratlinge und Soße mit Bolognese-Geschmack.«
    »Diese Soße hat eine unangenehm kackige Farbe«, stellte ich fest. »Kriegt man die Bratlinge auch ohne Soße und ohne Tofu?«
    »Heute geht es dir ja richtig gut, Pi.« Moon strahlte mich an. »Ich liebe es, wenn du witzig bist.«
    Lucky hatte mir ein Tablett mitgebracht. Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen und versenkte sich in den Anblick des Essens, ebenso wenig begeistert wie ich.
    »Hm«, urteilte er schließlich.
    »Leute, haut rein.« Moon gab sich genüsslich ihrer vollwertigen, mit allen wichtigen Nährstoffen, Vitaminen und Zusätzen versehenen Mittagsmahlzeit hin. »Gleich haben wir eine Doppelstunde Geschichte. Das heißt, Jupiter und ich dürfen noch mal vorspielen und ihr könnt danach nach Herzenslust diskutieren.«
    Lucky stocherte im Essen herum und schob diverse Häufchen am Tellerrand zusammen. »Gehen wir«, entschied er unvermittelt.
    Ich hatte nichts dagegen, und so marschierten wir gemeinsam in die Aula, die viel größer und viel weniger geheimnisvoll wirkte, wenn sie nicht verdunkelt war.
    »Ah.« Gandhi saß schon am Pult und sah gerade unsere Hausarbeiten am Bildschirm durch. »Da seid ihr ja. Da kann ich es euch schon mal verraten: Moon, diesmal nur eine Zwei plus. Tut mir leid, aber du bist im letzten Drittel etwas vom Thema abgekommen. Es ging um Leidenschaft, nicht um andere wilde Gefühle.«
    Damit war er bei Moon genau an der richtigen Adresse.
    »Ha!«, rief sie aus. »Aber das ist es doch! Alle wilden Gefühle gründen in Leidenschaft. Hass, Liebeskummer, Angst, Gier … was ist das denn anderes als die übertriebene Erhöhung und Pervertierung ganz gewöhnlicher, normaler, harmloser Emotionen?«
    Gandhi machte jedoch keinerlei Anstalten, ihre Note zu ändern. »Das Thema, Mädchen«, wiederholte er stur. »Und du, Lucky – Drei minus. Mehr war diesmal nicht drin.«
    »Und ich?«, mischte ich mich ein.
    Er hob überrascht die Augenbrauen. »Nanu, Peas, heute so munter? Eine Vier, was dachtest du denn?«
    Gandhi begrüßte die Klasse, die mittlerweile vollständig war. »Moon und Jupiter werden natürlich die offizielle Aufführung bestreiten«, sagte er und sprach damit aus, was wir alle wussten. »Aber vielleicht hat heute jemand anders Lust, das Stück einmal selbst zu spielen? Freie Improvisation wie immer ausdrücklich gestattet. Oder wie wäre es mal mit dem altertümlichen Originaltext? Hat jemand Interesse?«
    Einen Moment lang glaubte ich, er würde mich aufrufen. Ich war fast dabei, freiwillig die Hand zu heben, als mir bewusst wurde, dass ich dann nach vorne auf die Bühne musste. Und mit wem würde ich spielen? Mit Merkur? Nein danke. Ich war durchaus bereit, weinend über Lucky zusammenzubrechen, aber nur bei der Vorstellung, dass Merkur oder auch Schalom sich schluchzend über mich beugten, überkam mich das Grausen.
    »Das dürfen die doch nicht«, erklang Charitys hohe Stimme. Sie wies auf die Fensterfront, wo gerade ein paar Schüler aus einem der jüngeren Jahrgänge an unserem Fenster vorbeischlenderten, als würden wir uns nicht ganz oben im fünften Stock befinden.
    »Was ist denn da los?« Gandhi eilte ans Fenster und riss es auf. »He!« Er beugte sich nach draußen. »Wo wollt ihr denn hin, Jungs?«
    Sofort war die ganze Klasse da und glotzte durch die Scheiben. Es war wie damals mit der Taube, nur dass die Aula noch eine Etage über unserem Klassenzimmer lag. Die Schüler mussten von ganz unten hochgeklettert sein, denn die Fünfte hatte ihre Klassenräume im Erdgeschoss.
    »He, bleibt hier!«, rief Gandhi ihnen nach. Fassungslos wandte er sich an uns. »Wissen die denn nicht, wie gefährlich das ist? Letzte Woche gab es hier einen Toten!«, schrie er.
    Lucky hatte schon seinen Fuß über das Sims gesetzt.
    »Du bleibst hier.« Gandhi packte ihn am Kragen, doch Lucky versuchte seine Hand abzuschütteln.
    »Sie können runterfallen! Unten auf die harten

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