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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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Lucky war ein ganzes Stück vor mir. Doch er konnte nicht weiter; einige Meter vor ihm stand eine Gruppe Männer.
    Bitte, oh bitte, flehte ich ins Nichts, während ich vorwärtsschlich. Wenn sie mich bemerkten, waren wir dran. Wenn sie uns fassten, würde alles rauskommen, und dann … die Wildnis. Oder auch nicht. Wollten wir wirklich riskieren, herauszubekommen, wie streng die Behörden mit uns verfahren würden?
    »Du solltest doch warten«, flüsterte Lucky, als ich neben ihm ankam.
    Mein galoppierendes Herz wollte sich einfach nicht beruhigen, und eine passende Antwort fiel mir nicht ein. Ich wusste nur, dass ich ihn nicht alleine lassen wollte.
    Zum Glück hatte Orion die Verladestelle noch nicht erreicht. Er kniete hinter einem langen dunklen Wagen. Wir rannten über den Platz, zu ihm hin.
    »Pi! Lucky!« Seine Stirn glänzte schweißnass. »Kommt ihr doch mit?«
    Eine paar Männer marschierten mit schwerem Stiefelschritt vorbei. Wir duckten uns.
    »Luther wird nicht rausgeschickt«, flüsterte ich in Orions Ohr. »Das Tor wird sich nicht öffnen.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragte er zurück. »Hier ist doch etwas im Gange. Sie verspäten sich bloß.«
    Es war mittlerweile richtig dunkel. Die Stunde des Sonnenuntergangs war längst vorbei.
    »Komm mit uns zurück«, sagte ich. »Luther ist tot, wir haben seine Leiche gesehen. Die werden das Tor heute nicht öffnen. Du bringst bloß unser Geheimnis in Gefahr.«
    Ich konnte seinen Herzschlag fast hören, dicht neben meinem. Sein Atem ging in schweren Stößen.
    »Sie machen einen Lebensmittelzug bereit«, flüsterte Lucky. »Vielleicht können wir einfach den nehmen.«
    »Lucky!«, zischte ich entsetzt.
    Orion lachte leise. »Dann gehen wir also zu dritt?«
    »Nein!«, protestierte ich.
    Vielleicht hatte ich zu laut gesprochen. Oder sie hatten uns längst entdeckt. Denn auf einmal gingen zahlreiche weitere Flutlichter an, und jemand schrie: »Wer da? Zeigt euch!«
    »Eindringlinge!« Der Ruf pflanzte sich fort. »Eindringlinge!«
    Wir dachten nicht darüber nach, dass es gefährlich sein könnte, als wir einfach drauflosstürmten und zurückrannten.
    »Das sind ja noch Kinder«, rief jemand, und ein anderer schrie: »Halt! Bleibt ihr wohl stehen!«
    Ich warf einen Blick über die Schulter: Einige der hellen Gestalten kamen uns nach.
    »Stopp! Wartet!«
    Ich dachte nicht daran. Vielleicht zog Lucky in Erwägung, stehenzubleiben und zu fragen, ob er nicht einfach in einem der Waggons mitfahren könnte, doch da ertönte ein ohrenbetäubender Knall, und Orion schrie: »Sie schießen auf uns. Rennt!«
    So schnell wir konnten, hasteten wir in die Sicherheit der Straßen und Hochhäuser zurück, dorthin, wo Moon auf uns wartete. Lucky hatte mich am Arm gepackt, Orion war dicht hinter uns. Die Männer schrien nicht mehr, dafür durchbrachen wieder Schüsse die Stille.
    Der Rückweg kam mir viel kürzer vor. Auf dem Hinweg hatte ich schon geglaubt, am Ende meiner Kraft zu sein, aber erstaunlicherweise lief ich wie eine Athletin. Die Angst verlieh meinem Körper Flügel. In meinem ganzen Leben war ich noch nicht so schnell gewesen, und es war verrückt – obwohl ich nie zuvor um mein Leben gefürchtet hatte, obwohl ich überall anders sein wollte als hier, gab es einen Teil von mir, der es – beinahe – genoss. Eine Stimme in mir, die im Rhythmus meiner Schritte sang: Du lebst, du lebst, du lebst …
    Fast wären wir an Moon vorbeigelaufen, die immer noch auf der Mauer saß und an ihren Nägeln feilte.
    »Wohin wollt ihr denn so schnell?«, fragte sie verblüfft.
    »Wir werden verfolgt«, rief Lucky, ohne stehenzubleiben. »Komm, weg hier! Sie schießen auf uns!« Ein paar Meter weiter bog eine schmale Gasse zwischen den Hochhäusern ab. Dort würden uns die Kugeln nicht erreichen.
    »Was? Jetzt wartet doch mal!« Moon nahm uns nicht ernst, aber immerhin trabte sie uns nach. Da, die Ecke.
    Vor uns lag eine Straße, die nach etwa fünfzig Metern erneut eine Kurve machte. Im Labyrinth der Häuser würden wir entkommen können.
    Moons Aufschrei riss mich aus der Euphorie. Ich warf einen Blick zurück – sie war nicht hinter uns, war zu langsam gewesen in ihren kaputten Schuhen. Was hinter der Ecke passierte, konnten wir von hier aus nicht sehen.
    »Lauft«, sagte Orion. »Haltet nicht an! Ich kümmere mich darum.« Er kehrte um, bevor wir antworten oder ihn zurückhalten konnten.
    Lucky und ich rannten noch eine kurze Strecke weiter, dann hielten wir

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