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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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aussteigen und zu Fuß nachsehen, wo wir eigentlich sind«, schlug Lucky vor.
    Wir trotteten die Straße hinunter. Die Häuser ragten wie die Wände einer Schlucht neben uns auf. Die allerbeste Wohngegend war das hier nicht, und die wenigen Menschen, denen wir begegneten, trugen ganz sicher keine Kids-for-freedom-Klamotten. Der Weg endete in einer Sackgasse, aber ein schmaler Trampelpfad führte um das Gebäude herum. Wir folgten ihm und standen auf einmal vor dem Nichts.
    So wirkte es jedenfalls. Eine freie Fläche, wie das Grasland von Bezirk Sechs hinter den Begrenzungszäunen, nur dass diesmal der Zaun nicht vor uns war, sondern recht weit entfernt. Es mochten noch ungefähr zwei Kilometer sein, trotzdem war er gut zu erkennen. Nicht zu vergessen die Wachtürme. Davor die kleineren Zäune und Wälle, die das Gelände unterbrachen. Stacheldraht, der im Abendlicht glänzte. Dazu massenweise Warnschilder und Gräben.
    »Wo ist denn das Tor?«, fragte Moon, als Einzige unbeeindruckt. »Es müsste eine Straße geben, oder?«
    »Lass uns hier außen entlanggehen«, schlug Lucky vor. »Irgendwo muss es ja sein.«
    »Geht es nicht etwas schneller?« Langsam machte ich mir wirklich Sorgen um Orion und das, was er hier lostreten könnte.
    Wir marschierten an der Rückseite der Hochhäuser entlang. Es gab keinen richtigen Weg. Bestimmt hatten sie uns längst von den Wachtürmen aus entdeckt, ein paar bunte Tupfer, die kaum zu übersehen waren: Moon in Grün, Lucky hellblau gekleidet. Meine dunkelblauen Sachen waren noch am unauffälligsten.
    Eigentlich war in Neustadt alles attraktiv, doch die Rückseite der Hochhäuser konnte ich beim besten Willen nicht schön finden. Die Fassaden waren verblichen, die Farbe teilweise abgeblättert. Auch das Grenzgebiet zu unserer Rechten blieb unverändert trist. Zaun, Zaun, Zaun, nur unterbrochen von den Wachtürmen. Langsam wurde der Himmel über uns suppengrau.
    Ich hastete vorwärts, bis Moon mit ihren hübschen Partyschuhen über die Steine stolperte. Sie hatte sich kein einziges Mal über ihre schmerzenden Füße beklagt, und auch jetzt wischte sie sich die Erde von ihrem aufgeschrammten Knie und lächelte tapfer. »Das macht gar nichts«, versicherte sie.
    »Oh Moon, du blutest ja!« Selbst die besten Geburtstechniker hatten noch keine Mädchen designen können, deren Bewegungsapparat auf das Tragen schöner Schuhe abgestimmt war.
    »Der Absatz ist abgebrochen«, stellte Lucky fest. »Du bleibst hier und wartest auf uns. Pi und ich gehen vor. Das Tor muss hier irgendwo sein, da bin ich sicher. Wir haben es alle schon mal im Fernsehen gesehen. Der Hintergrund stimmt jedenfalls.«
    Auf der anderen Seite des Zauns war Wald. Er schloss nicht direkt an die Grenze an, sondern ließ einen breiten Streifen Land frei, doch selbst von hier aus war er als dunkle Linie zu erkennen. Mich schauderte. Die Wildnis kam mir auf einmal sehr nah vor.
    Moon betrachtete ihre Schuhe. »Ich kann mir neue kaufen, das ist nicht schlimm. Und ich kann auch barfuß …«
    »Nein!«, fuhr Lucky sie an. »Du bleibst hier!«
    Moon zuckte mit den Achseln und setzte sich auf eine niedrige Mauer, die hinter den Hochhäusern einen Wäscheplatz einrahmte. »Besser so?«, fragte sie.
    Ich konnte nicht begreifen, warum er nicht zurücklächelte, sondern sich abrupt umdrehte und weitermarschierte. Er ging so schnell, dass ich Mühe hatte, ihm zu folgen.
    Streckenweise liefen wir, bis ich außer Atem geriet, und fielen dann in einen leichten Trott, nur um gleich darauf erneut alles zu geben. An eine Unterhaltung war nicht zu denken, doch während wir wieder einmal rannten, keuchte Lucky: »Hast du schon darüber nachgedacht? Wie es wäre, wenn wir ihn nicht aufhalten, sondern mitgehen?«
    Ich blieb stehen. »Nach da drüben?«, fragte ich entsetzt. »Zu den Wilden?« Das konnte er nicht ernst meinen.
    »So eine Gelegenheit erhalten wir kein zweites Mal. Wir werden nie wieder sein wie jetzt. Wir werden so empfinden wie Moon. Jemanden zu warnen kommt ihr überflüssig vor. Die reine Zeitverschwendung. Sie würde lieber einkaufen und nachher in einem netten Café sitzen. Dann eine Runde tanzen. Was wir hier tun, ist für sie absolut unverständlich.«
    Ich fand das unfair, wenn man bedachte, was Moon schon alles für uns getan hatte. Selbst in ihrer rosaroten Wolke war sie die beste Freundin, die man sich nur wünschen konnte. Sie war hilfsbereit, warmherzig und abenteuerlustig, und es kümmerte sie nicht, wenn wir sie in

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