Wilde Chrysantheme
»Wie ich erfahren habe, wird uns Seine Königliche Hoheit später ebenfalls mit seinem Besuch beehren.«
»Leider. Armer Fred«, murmelte der Herzog. Der wichtigtuerische Frederick Louis, Prinz von Wales, dessen Sucht nach Frauen oft Anlaß zu Gespött in der Gesellschaft gab, war praktisch Stammkunde im Etablissement der Dennisons.
Elizabeth führte Tarquin jetzt eine schmale Treppe am Ende des Korridors empor. Es war ein Weg, den der Herzog nicht kannte, und er kniff ein wenig die Augen zusammen, während er dem sanft schaukelnden, karmesinroten Reifrock vor ihm folgte.
»Dies ist mehr oder weniger privat, Mylord«, erklärte Elizabeth, als sie um eine Ecke bogen und einen engen Gang einschlugen. »Sie werden seinen Zweck gleich verstehen.«
Unmittelbar darauf blieb sie vor einer Tür am Ende des Korridors stehen und öffnete sie leise, dann wich sie einen Schritt zur Seite, um den Herzog eintreten zu lassen. Tarquin schob sich an ihr vorbei in eine Kleiderkammer, die nur von den flackernden Lampen des Treppenhauses hinter ihm erleuchtet wurde.
»In der Wand, Euer Gnaden«, flüsterte Elizabeth.
Er ließ seinen Blick über die Wand schweifen und entdeckte sie auf der Stelle: zwei runde Gucklöcher in Mannshöhe, mit genügend großem Abstand für ein Augenpaar.
Tarquin fragte sich, ob wohl sämtliche Räume von Mistress Dennison Möglichkeiten für Voyeure boten, als er an die Gucklöcher herantrat und in eine von Kerzenlicht erhellte Schlafkammer blickte. Er konnte ein mit Barchentvorhängen ausgestattetes Himmelbett sehen, passende Vorhänge, die sich an einem offenen Fenster im Luftzug bauschten, einen Waschtisch mit einem Wasserkrug und einer Waschschüssel aus geblümten Porzellan. Es war ein Schlafzimmer wie viele in diesem Haus.
Aber in dem kleinen Raum hielt sich ein Mädchen auf. Es stand am offenen Fenster, damit beschäftigt, sein langes Haar zu bürsten. Das Kerzenlicht brachte den intensiven Rotton der seidigen, schimmernden Haarsträhnen zum Leuchten, als es mit kräftigen, rhythmischen Strichen die Bürste hindurchzog. Es trug einen lose fallenden Hausmantel, dessen Vorderteil einen Spaltbreit aufklaffte, als es sich vom Fenster abwandte.
Tarquin erhaschte einen flüchtigen Blick auf feste, volle Brüste, einen flachen weißen Bauch, eine Andeutung von krausem rötlichen Haar zwischen den Schenkeln. Dann entschwand sie aus seinem Blickfeld. Erwartete reglos, den Blick konzentriert auf den Teil des Raums gerichtet, der sichtbar war. Gleich darauf erschien sie erneut vor seinen Augen. Mit einer gelassenen Bewegung schlüpfte sie aus dem Hausmantel und warf ihn auf eine Ottomane am Fußende des Bettes.
Der Herzog rührte sich weder, noch gab er das leiseste Geräusch von sich. Hinter ihm wartete Elizabeth nervös, während sie inständig hoffte, er sähe etwas, was zu sehen sich lohnte.
Tarquin fuhr fort, die schlanke, hochgewachsene Gestalt prüfend zu betrachten; er bemerkte den großzügigen Schwung der Hüften, die straffe Fülle der Brüste, die die Schlankheit ihres Oberkörpers betonte, die schmale Taille. Bemerkte die elfenbeinfarbene Blässe ihrer Haut im Kontrast zu dem faszinierenden Flammendrot ihres Haars. Sie bewegte sich auf das Bett zu, und er musterte die schwungvolle Kurve ihrer Hüften, die glatte Rundung ihres Gesäßes, die langen, festen Schenkel.
Nun hob sie ein Knie und stützte es auf das Bett, schaute dann plötzlich über ihre Schulter zurück. Einen Moment lang schien sie ihn direkt anzusehen, während sich ihre Blicke trafen. Jene Augen waren jadegrün, leuchtend und weit auseinanderstehend unter der kompromißlos geraden Linie ihrer dunklen Brauen. Ihre Wimpern, so dunkel und dicht wie ihre Augenbrauen, flatterten auf und nieder, als sie müde blinzelte. Dann gähnte sie, wobei sie den Mund hinter dem Handrücken verbarg, und kletterte ins Bett.
Sie beugte sich zur Seite und blies die Kerze aus.
Der Herzog von Redmayne schlüpfte lautlos aus der Kleiderkammer und zurück in das Licht des Korridors. Er wandte sich einer erwartungsvollen Mistress Dennison zu.
»Ist sie noch Jungfrau?«
»Davon bin ich überzeugt, Euer Gnaden.«
»Ist sie käuflich?«
»Das nehme ich an.«
»Dann lassen Sie uns über die Bedingungen sprechen, Elizabeth.«
3. Kapitel
Der Morgen dämmerte klar und wolkenlos herauf, als Juliana erwachte. Von jeher eine Frühaufsteherin, war sie sofort hellwach und setzte sich augenblicklich im Bett auf, um sich in der Schlafkammer umzusehen.
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