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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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Der Raum war zwar klein, aber behaglich und hübsch, wenn auch nicht unbedingt luxuriös ausgestattet. Die Bettvorhänge und die Vorhänge am Fenster bestanden aus gestärktem Barchent; einfache, gewebte Teppiche lagen auf dem gewachsten Eichenfußboden verstreut, heiter geblümte Kretonnekissen häuften sich auf der Chaiselongue.
    In der Kammer fühlte sie sich geborgen, denn es erinnerte sie an ihr Schlafzimmer in Forsett Towers. Doch die Geräusche, die von der Straße unter ihrem Fenster heraufschallten, hatten keinerlei Ähnlichkeit mit dem schrillen Ruf der Pfauen, die auf dem Rasen vor dem Herrenhaus umherstolzierten, oder mit dem fanfarenartigen Schrei der Hähne auf dem zu dem Besitz gehörenden Bauernhof.
    Sie schlug die Bettdecke zurück und erhob sich, um sich mit einem wohligen Seufzer zu recken, dann tappte sie auf nackten Füßen zum Fenster hinüber. Neugierig zog sie die Vorhänge auf und blickte hinunter auf die schmale Straße, in der sich alle möglichen Fuhrwerke und Karren drängten, hoch beladen mit landwirtschaftlichen Produkten. Unter heiserem Geschrei bahnten sich die Straßenhändler einen Weg durch das Gewühl und strebten in Richtung Covent Garden am Ende der Straße. Zwei zerzaust aussehende junge Männer in Abendkleidung stolperten aus der Taverne auf der gegenüberliegenden Straßenseite und standen einen Moment blinzelnd im hellen Tageslicht. Eine Frau in einem schmuddeligen roten Unterrock, der gerafft war, um ihre Waden zu zeigen, und mit zerrissener, vergilbter Spitze um den tiefen Halsausschnitt, schlenderte auf sie zu, ein obszönes Lächeln auf dem Gesicht, und zog dann das Oberteil ihres Kleides herunter, um ihre Brüste zu entblößen.
    Einer der jungen Männer packte sie laut lachend und preßte seinen Mund hart auf ihren, während er mit beiden Händen ihren Kopf festhielt. Dann stieß er sie grob von sich, und die beiden Herrchen bewegten sich schwankenden Schrittes und unter Gegröle und Gelächter weiter in Richtung The Strand. Die Hure erhob sich wüst fluchend aus der Gosse und drohte den davonziehenden Gestalten mit der Faust. Schließlich zog sie den Ausschnitt mit der schmutzigen Spitze wieder zurecht, schüttelte ihre Röcke aus und machte sich auf den Weg zum Markt.
    Fasziniert starrte Juliana hinab auf die bunte Szene unter ihrem Fenster. Selbst in Winchester an einem Markttag ging es nicht derart lebhaft zu.
    Erfüllt von der Energie, die Neugier und Erregung verleihen, hastete Juliana zu ihrem Kleiderschrank. Sie nahm das einfache Musselinkleid und das Unterkleid aus Baumwolle heraus, Kleidungsstücke, die ihr ihre Wohltäterin mehr oder weniger aufgedrängt hatte, als sie am vergangenen Morgen in ihrem Haus angekommen waren. Aber genau jene Schlichtheit der Kleider hatte Juliana bewogen, die Sachen schließlich anzunehmen. Diese Art Musselinkleid würde eine Zofe oder ein Hausmädchen, das von seiner Herrschaft gut versorgt wurde, an Sonntagen tragen.
    Sie zog sich das Unterkleid über den Kopf, trat in das Gewand, hakte es mit geschickten Fingern zu und befestigte ein züchtiges Halstuch in ihrem Ausschnitt. Dann schob sie ihre bloßen Füße in ledernes Schuhwerk, ebenfalls von Mistress Dennison zur Verfügung gestellt, spritzte sich kaltes Wasser aus der Waschschüssel ins Gesicht, bürstete rasch ihr Haar und steckte es zu einem festen Knoten am Hinterkopf auf; dann lief sie – knapp zehn Minuten nach dem Erwachen – voller Tatendrang die breite Treppe in die Halle hinunter.
    Die Eingangstür zur Straße hin stand offen, ein Dienstmädchen lag auf den Knien und polierte das Parkett. Am Tag zuvor hatte Juliana nur wenig von dem Haus gesehen. Nachdem sie ihre Kleider gewechselt hatte, hatte sie den Rest des Tages allein mit Mistress Dennison in deren privatem Salon verbracht. Sie hatte dort auch allein zu Abend gespeist und war dann früh zu Bett gegangen – zu überwältigt und erschöpft von der Fremdheit und den Aufregungen des Tages, die auf die Strapazen der langen Reise gefolgt waren, um ihre Lage oder ihre Umgebung einer genaueren Prüfung zu unterziehen.
    Jetzt jedoch war sie erfrischt und gestärkt, und sie blickte sich mit großem Tatendrang um. Rechts von der Halle stand eine große Flügeltür offen und gab den Blick auf einen langen, elegant eingerichteten Salon frei. Nach dem, was sie sehen konnte, waren die Möbel – abgesehen von einigen weichgepolsterten, einladenden Sofas und plumpen Ottomanen – alle aus kunstvoll geschnitztem Holz und

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