Wilde Pferde in Gefahr
Meinetwegen kann sie mich auch im Fernsehen schlechtmachen. Hauptsache, wir legen den Mustangjägern endlich das Handwerk. Das ist doch viel wichtiger als ein Sieg beim Rodeo.«
»Was hältst du davon, wenn wir beides verbinden?«, schlug Charlie vor. Beim Lächeln zeigten sich Grübchen neben seinen Mundwinkeln. »Ich hab da eine Idee, weißt du? In ein paar Wochen findet das große Rodeo in Las Vegas statt. Wie wär’s, wenn du dich dort anmeldest, und wir fahren alle gemeinsam hin. Annie, Donna, du und ich.« Jetzt strahlte er über beide Wangen. »Und ich bringe dir bis dahin noch ein paar raffinierte Indianertricks bei. Einer meiner Vorfahren hieß angeblich Schneller-als-der-Blitz, und der war der schnellste Reiter unseres ganzen Stammes.«
»Würdest du das wirklich tun?«, fragte Peggy begeistert.
»Und ob«, erwiderte Charlie verschwörerisch. »Ich will unbedingt erleben, wie du gegen diese Texanerin gewinnst und den Pokal in die Höhe hältst!«
Sie fingen gleich am Nachmittag mit dem Training an. Während die Kinder außerhalb der »Arena« das Galoppieren übten, ritten Peggy und Charlie um die Fässer. Der Indianer machte den Anfang. Er gab die Stoppuhr weiter und sagte: »Mal sehen, was ein alter Krieger wie ich noch kann. Ich bin schon ein wenig eingerostet …«
Peggy beobachtete ihn genau. Er schloss sekundenlang die Augen, bevor er zur Startlinie ritt, und wirkte in sich gekehrt und vollkommen ruhig. Wie Peggy flüsterte auch er seinem Pferd etwas zu, bevor er ihr durch ein Kopfnicken zu verstehen gab, dass er bereit war. »Los!«, rief sie.
Charlie ritt nicht so schnell und elegant wie sie, das sah man schon bei der ersten Tonne, und sein Pferd hätte beim Kentucky-Derby wohl nur einen hinteren Platz belegt, dennoch beeindruckte er mit seinem Ritt. Anders als die meisten Reiter, die sie kannte, schien er mit seinem Pferd zu verschmelzen, als wären er und das Tier ein Wesen. Erst nachdem er die Ziellinie überquert hatte, löste er sich von seinem Pferd.
»20,9 Sekunden«, rief Peggy.
Charlie glitt aus dem Sattel und nickte zufrieden.»Ich weiß nicht, was Schneller-als-der-Blitz dazu sagen würde, aber ich war schon langsamer. Jetzt bist du dran.«
»Wie machst du das?«, fragte sie. »Bei dir sah alles so … harmonisch aus.«
Er griff nach den Zügeln. »Du musst deine Bewegungen so mit deinem Pferd abstimmen, dass es aussieht, als wäre ein Wesen ohne das andere nicht denkbar, das ist das ganze Geheimnis. Was meinst du, warum meine Vorfahren so gut reiten konnten? Sie dachten sich in ihre Pferde hinein, sie konnten ihre Gedanken lesen. Sie brauchten ein wildes Pferd nicht einzureiten oder mit der Peitsche zu zähmen, sie blickten ihm in die Augen und sprachen mit ihm. Sie betrachteten es als guten Freund, mit dem man auf einer Wellenlänge funken musste, wenn man erfolgreich sein wollte. Sie brauchten kein eisernes Zaumzeug, keine Trense wie wir. Ein Strick genügte, ein Schenkeldruck reichte aus, um ihn in eine gewünschte Richtung zu lenken. Wenn du so vertraut mit deinem Pferd bist, wirst du immer unter den Ersten sein, auch mit einem Pferd, das eigentlich nicht zu den Schnellsten gehört. Schließ die Augen, bevor du losreitest. Denk dich in Dusty hinein. Gib ihm durch deine Gedanken zu verstehen, worauf es bei dem Ritt ankommt. Reite ihn wie eine Indianerin und du gewinnst.«
Peggy lächelte. »So ähnlich hat es Jerry Red Legs auch gesagt.«
»So denken alle Indianer«, stimmte ihr Charlie zu. »Fast alle.«
Sie ritt an den Start und schloss die Augen, konzentrierte sich nur auf den bevorstehenden Ritt. In Gedanken galoppierte sie um alle drei Tonnen und über die Ziellinie, verschmolz mit Dusty zu einem Wesen. Quatsch, würden einige ihrer Rivalinnen beim Rodeo sagen, man muss sein Pferd ordentlich rannehmen, wenn man gewinnen will. Aber das allein reichte manchmal nicht aus.
Als sie die Augen öffnete, schien auch Dusty durch ein leises Schnauben anzuzeigen, dass er bereit war. Peggy legte sich im Sattel nach vorn und nickte.
»Go!«, rief Charlie und drückte auf die Stoppuhr.
Peggy flog förmlich um die Hindernisse herum. Sie fühlte sich mehr mit ihrem Pferd verbunden als sonst, als gäbe es eine unsichtbare Verbindung zwischen ihnen. Die Konzentration vor dem Start, als sie alle ihre Gedanken auf Dusty gerichtet hatte, zeigte Wirkung. Es kam ihr beinahe so vor, als würde er schon reagieren, bevor sie mit den Zügeln oder Knien die Richtung anzeigte. »Heya! Lauf,
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