Wilde Pferde in Gefahr
am Oberarm hoch und schob sie über die Ladefläche, ließ sie in die Arme des Anführers fallen, der sie an den Hüften packte und so lange festhielt, bis sie ihre Benommenheit abgeschüttelt hatte. Die Fahrt hatte ihr stark zugesetzt. Es gab keine Stelle an ihrem Körper, die nicht schmerzte, und sie wagte gar nicht daran zu denken, wie er am nächsten Morgen aussehen würde. Die blauen Flecken würde sie gar nicht zählen können. Und die Striemen an ihren Handgelenken würden sie wohl noch einige Tage an dieses schreckliche Erlebnis erinnern. Wenn ihre Vermutung richtig warund nichts Schlimmeres geschah. Wenn sie unversehrt freikam.
Sie standen vor dem verfallenen Gebäude einer Tankstelle. Die Fenster waren eingeschlagen, die Tür hing aus den Angeln. Die Reste des lehmfarbenen Verputzes, der mexikanischen Adobe-Lehm vortäuschen sollte, waren brüchig. Über der Tür hing noch ein vergilbtes Texaco-Schild. Etwas weiter entfernt stand ein eingestürzter Schuppen, anscheinend die Toilette. Im schwindenden Tageslicht sahen die Gebäude sauberer aus, als sie es waren. Vor dem Haus waren noch die Sockel der beiden Zapfsäulen zu erkennen. Ein rostiger Eimer lag herum.
»Und hier sind wir sicher?«, fragte Ron Baxter misstrauisch.
»Hier kommt kaum noch jemand vorbei«, antwortete Buddy Miller.
»Das stimmt«, sagte Marty, der in der Gegend groß geworden war und es am besten wissen musste. »Über die Straße fährt schon seit ein paar Jahren kaum jemand mehr. Manchmal kommen Jugendliche zum Feiern her, aber sonst ist hier tote Hose.« Er blickte Peggy an. »Können wir ihr nicht die Fesseln abnehmen?«
Buddy Miller schüttelte den Kopf. »Die Fesseln bleiben … ist sicherer. Die bringt es fertig und denkt sich irgendeine Schweinerei aus, wenn wir die Verständnisvollen spielen. Bei der Sache gehe ich kein Risiko ein. Wir brauchen den Film.«
»Dann mach sie wenigstens etwas lockerer.«
»Hör endlich mit dem Gewinsel auf!«, wies Buddy Miller den Jungen zurecht. »Und schlag sie dir gleich wieder aus dem Kopf, falls du einen Narren an ihr gefressen hast. Die fängt bestimmt nichts mit dem Sohn von James Rockwell an.«
»Schaff sie ins Haus!«, sagte Ron Baxter zu ihm, wohl auch, um Buddy daran zu erinnern, dass er der Anführer der Mustangjäger war. »Nimm die Pferdedecke mit, damit sie etwas bequemer liegt. Wir sind keine Unmenschen.« Er wandte sich an Peggy. »Keine Angst, sobald wir den Film haben, bringen wir Sie nach Reno.«
Buddy Miller schnappte sich die Pferdedecke und brachte sie in das Gebäude. Dort stank es so bestialisch, dass sie sich beinahe übergeben musste. Anscheinend hatten sich die Jugendlichen, von denen Marty gesprochen hatte, in der Tankstelle erleichtert und übergeben. Unter ihren Stiefeln knirschten Scherben. Einige Mäuse huschten über den Boden und verschwanden durch einen Spalt im Mauerwerk. In einer Seitenwand klaffte ein großes Loch und ließ wenigstens ein bisschen frische Luft und Licht herein. »Setz dich«, befahl der Mustangjäger.
Sie ließ sich neben der Wand nieder, die gefesselten Hände gegen einen herabgefallenes Trümmerstück gelehnt. Ihr verachtungsvoller Blick folgte Buddy Miller, der ohne ein Wort zu den anderen Mustangjägern zurückkehrte. »Lass uns die Sache so schnell wie möglichhinter uns bringen«, hörte sie ihn zu Ron Baxter sagen. Inzwischen hatte er wohl auch Angst, wegen Kidnappings angeklagt zu werden, eines Kapitalverbrechens, das sehr streng bestraft wurde.
»Santiago ist auf dem Sprung«, antwortete der Anführer. »Er fährt zu Wild Horse Annies Ranch und sagt ihr, dass Peggy sich freuen würde, den Film wiederzubekommen. Immerhin ist sie freiwillig hier. Wenn Annie mitspielt und Santiago sich ein bisschen beeilt, könnte er in zwei, drei Stunden wieder hier sein.«
Kaum hatte er ausgesprochen, sprang der Motor des Pick-ups an, und sie hörte, wie der Mexikaner davonfuhr. Falls Dusty bis zur Ranch gelaufen war, würde Annie ihm den Film aushändigen, das war sicher. Sie würde bestimmt nicht riskieren, dass die Mustangjäger Peggy etwas antaten, auch wenn ihr Einsatz dann umsonst gewesen war. Solche Bilder würden sie nie wieder bekommen, denn selbst Buddy Miller würde in Zukunft vorsichtiger sein und sich hüten, ein mutterloses Fohlen vor Zeugen abzuknallen. Diese schlechte Publicity konnten sich weder James Rockwell noch die Regierung leisten. Wenn man die Grausamkeiten belegen konnte, würden bald alle Amerikaner nach einem
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