Wilde Pferde in Gefahr
überdenken und nach einem Ausweg zu suchen.
»Schon gut, ich geb Ihnen den Apparat ja«, sagtesie, um etwas Zeit zu gewinnen. Der rettende Einfall kam ihr, als sie den Ledergurt des Fotoapparats über ihren Kopf zog. Sie hängte ihn blitzschnell ans Sattelhorn, schlug ihrem Wallach mit der flachen Hand aufs Hinterteil und rief: »Lauf, Dusty, lauf nach Hause und bring den Apparat zu Annie und Charlie!« Die Wucht des Schlages riss sie von den Beinen und ließ sie zu Boden stürzen.
Buddy Miller schoss augenblicklich auf Dusty, zielte aber in der Eile ungenau und verfehlte den Wallach. Eine weitere Kugel erwischte das Tier am linken Ohr, riss einen Hautfetzen heraus und ließ es noch schneller laufen. Von Panik und Angst getrieben galoppierte es den Pfad hinauf, war schon nach wenigen Galoppsprüngen so gut durch die Krüppelkiefern und das Gestrüpp gedeckt, dass es vor den Kugeln des Mustangjägers sicher war. Dusty würde zur Ranch laufen, da war Peggy ganz sicher. Er würde Annie und Charlie den Film bringen und Hilfe holen.
Buddy Miller stieß einen deftigen Fluch aus und hätte vor Wut beinahe sein Gewehr ins Gestrüpp geworfen. Stattdessen packte er Peggy am Arm, riss sie unsanft vom Boden hoch und zerrte sie zu den anderen Jägern.
»Was soll der Blödsinn?«, empfing ihn Ron Baxter.
Marty stand nur da und sagte gar nichts.
»Die Kleine hat uns fotografiert«, stieß Buddy Miller wütend hervor. »Und als ich ihr den Apparatwegnehmen wollte, hat sie ihn ans Sattelhorn ihres verdammten Gauls gehängt und ihn den Pfad hochgejagt. Mit dem Wagen kommen wir da nicht hoch, und bis wir außen rumgefahren sind, ist der Gaul längst auf der Ranch!«
»Lass sie los!«, sagte Marty endlich. »Du tust ihr ja weh.«
»Und wenn schon«, erwiderte Buddy Miller abfällig. Er ließ Peggys Arm los und kümmerte sich nicht darum, dass sie unsanft in den Staub fiel.
Marty beugte sich zu ihr herunter und wollte sie hochziehen.
»Lassen Sie mich in Ruhe!«, herrschte sie ihn an.
»Ich will Ihnen doch nur helfen!«
»Wenn Sie mir wirklich helfen wollten, würden Sie bei dieser Schweinerei gar nicht mitmachen!« Sie klopfte sich wütend den Staub aus ihren Kleidern, merkte die Schürfwunden an ihrem Rücken vor lauter Wut gar nicht. »Dann hätten Sie genug Mumm, Ihrem Vater die Meinung zu sagen und hier zu verschwinden!«
»Den Teufel wird er tun«, mischte sich Ron Baxter ein. »Sein Vater würde ihn wie einen verlausten Köter vom Hof jagen, wenn er sich gegen ihn stellen würde. Stimmt’s, Marty? Wenn er aufmuckt, bekommt er keinen Penny mehr, dann ist er ärmer als wir beide.«
»Und wenn er bei uns nicht mehr mitmacht, passiert dasselbe«, sagte Buddy Miller. »›Nur ein ganzer Mann verdient es, meine Ranch zu erben‹, das sagt sein Vater.«
»Na und?«, blaffte Peggy den Jungen an.
»Lasst sie laufen«, wechselte Marty rasch das Thema. Er vermied es, Peggy anzublicken, wirkte verlegen und schuldbewusst. »Die Fotos nützen Wild Horse Annie sowieso nichts. Wir handeln nach dem Gesetz. Selbst wenn die Bilder in allen Zeitungen erscheinen, kann sie uns nichts anhaben.«
»Hast du ’ne Ahnung«, sagte Ron Baxter. »Diese Annie hat schon so viel Unheil angerichtet, dass ein kleiner Funke genügt, um die Stimmung umschlagen zu lassen. Sie hetzt Schulkinder gegen uns auf, habt ihr das gewusst? Wenn die Zeitungen darüber berichten und die Bilder zeigen, haben wir bald alle gegen uns. Nein, mein Lieber, die Fotos dürfen auf keinen Fall erscheinen. Wir brauchen den Film.«
»Ganz zu schweigen von dem Terror, den dein Vater veranstalten würde«, ergänzte Buddy an Marty gerichtet. »Die skrupellosen Mustangjäger, die auf seiner Ranch ein unschuldiges Fohlen abknallen und seiner Mutter die Beine brechen. Und sein Sohn ist mit dabei! Was meinst du, was er dazu sagen würde? Er würde uns zum Teufel jagen, egal ob die Sache legal ist oder nicht, und dich würde er am nächsten Baum aufknüpfen!«
»Willst du sie etwa entführen? Sie als Geisel nehmen?«
»Unsinn.«
»Das ist Kidnapping, Mann! Darauf steht lebenslänglich!«
»Unsinn, sage ich. Sie kommt freiwillig mit.«
»Ich denke gar nicht daran!«, wehrte Peggy sich entrüstet. Sie wollte weglaufen, aber Buddy Miller hatte sie schon nach wenigen Schritten eingeholt und hielt sie fest. »Lassen Sie mich los, Sie elender Schweinehund!«, schimpfte sie.
»Seht an! Fluchen kann sie auch!«, sagte Buddy Miller grinsend.
»Ich kann noch was ganz anderes«,
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