Wilde Saat
Frau. Er brauchte sie nie darum zu bi t ten. Sie tat es, weil sie es wollte, weil er sie trotz ihrer Zweifel und Än g ste über alle Maßen befriedigte. Sie ging zu ihm wie zu ihrem ersten Mann, für den sie eine tiefe Zuneigung em p funden hatte. Und zu ihrer Überraschung behandelte Doro sie genauso, wie ihr erster Mann es getan hatte. Er hörte ihr au f merksam zu, achtete ihre Meinung und sprach zu ihr voller Respekt und Freundschaft wie zu einem anderen Mann. Ihr erster Gatte hatte sehr viel Kritik einstecken müssen, und die Leute ihres Stammes belächelten ihn heimlich, weil er sie auf diese Weise behandelte. Ihr zwe i ter Gatte war das genaue Gegenteil gewesen, anmaßend, abstoßend und brutal. Aber i n nerhalb des Stammes hatte er höchstes Ansehen g e nossen. Sie war ihm davongelaufen, so wie sie jetzt Doro davonzulaufen wünschte. Doro konnte nicht wissen, daß er die Erinnerung an die beiden unte r schiedlichen Männer in ihr wachrief.
Immer noch hatte er ihr keinen Beweis der Macht geg e ben, über die er zu verfügen vorgab. Keinen Beweis d a für, daß ihre Kinder in Gefahr schwebten, falls sie ihn verlassen würde. Dennoch glaubte sie seinen Worten. Sie brachte es nicht fertig, aufzust e hen, während er schlief, und in die Wälder zu fli e hen. Um ihrer Kinder willen mußte sie bei ihm bleiben, w e nigstens so lange, bis sie in der einen oder anderen Weise einen Anhaltspunkt hatte.
Sie folgte ihm widerwillig, ständig von der Frage geq u ält, wie die Ehe mit einem Mann sein würde, den sie w e der verlassen noch überleben konnte. Diese Aussicht mac h te sie vorsichtig und zahm. Ihre früheren Ehemänner hatten nicht gewußt, wer sie war. Doro wußte es, und so war sie bemüht, sich ihm von der besten Seite zu zeigen und seine Zuneigung zu gewinnen. Das Würde ihr vielleicht einigen Ei n fluß und eine gewisse Macht über ihn geben, die sie später einmal gut gebrauchen könnte. Und die Erfa h rung vieler Ehen sagte ihr, daß sie diesen Einfluß und diese Macht gewiß einmal gebrauchen würde.
Sie waren nun im Tiefland angekommen und durchque r ten ein Sumpfgebiet. Die Regenfälle wurden häufiger, die Hi t ze stieg, und die Moskitos überfielen sie in Schwärmen. Doro wurde krank und hustete und hustete. Anyanwu zog sich ein Fieber zu, doch sie trieb es wieder aus ihrem Kö r per, sobald sie es spürte. Auch ohne diese Krankheit war die B e schwernis groß genug.
»Wann haben wir dieses Land endlich hinter uns g e bracht?« fragte sie voller Unwillen. Es regnete in Strömen. Der Fußpfad, den sie benutzten, war au f geweicht, und sie kämpften sich durch knöcheltiefen Morast.
»Nicht weit von hier ist ein Fluß«, erklärte er ihr. Er blieb stehen und hustete. »Ich habe mit den Bewo h nern einer Stadt am Flußufer eine Abmachung g e troffen. Sie werden uns mit einem Boot zu meinem Schiff bringen.«
»Fremde«, versetzte sie erschreckt. Sie hatten sich bi s her bemüht, während der ganzen Wanderung j e den Kontakt mit Menschen zu vermeiden.
»Du wirst hier fremd sein«, erklärte Doro. »Aber sei u n besorgt, diese Leute kennen mich. Ich habe ihnen G e schenke gegeben und ihnen weitere versprochen, wenn sie mich und meine Begleiter den Fluß hinu n terrudern.«
»Haben sie dich in diesem Körper gesehen?« fragte sie und benutzte die Frage zum Vorwand, seine harten Schu l termuskeln zu berühren. Der Kontakt mit seinem Körper b e reitete ihr Vergnügen.
»Sie kennen mich«, erwiderte er. »Ich bin nicht der Körper, den ich trage, Anyanwu. Du wirst das b e greifen, wenn ich mich verändere – bald schon, glaube ich.« Er machte eine Pause. Erneut schüttelte ihn der Husten. »Du wirst mich in einem anderen Körper wiedererkennen, s o bald du mich sprechen hörst.«
»Wie wird das sein?« Sie hatte keine Lust, mit ihm über seine Verwandlungen, sein Töten zu reden. Sie versuchte ihn von seiner Krankheit zu heilen, damit eine Verwan d lung nicht notwendig wurde. Doch obwohl sie seinen Hu s ten gelindert und ihn vor einer Verschlimmerung der Krankheit bewahrt hatte, war es ihr nicht gelungen, ihn ganz gesund zu machen. Das hieß, daß sie in Kürze mehr über seine Ve r wandlungskünste erfahren würde, ob sie es nun wol l te oder nicht. »Wie werde ich dich erkennen?« fragte sie.
»Mir fehlen die Worte, es dir zu erklären – es ergeht mir so wie dir bei diesen winzigen Lebewesen. Aber wenn du meine Stimme hörst, wirst du wissen, daß ich es bin. Das ist alles.«
»Wird es
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