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Wilde Saat

Wilde Saat

Titel: Wilde Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Octavia Butler
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Ich weiß, Okoye ist dein Enkelsohn – einer deiner jüngeren Enkelsöhne –, und er ist fast in meinem Alter. Ich frage mich, wie ich mich mit deiner großen Erfahrung me s sen könnte. Aber ich will es versuchen. Du ahnst nicht, wie groß mein Wunsch ist, es zu versuchen.«
    »Kannst du zulassen, daß er dich als Zuchtvieh b e nutzt, Isaak? Macht dir das überhaupt nichts aus?«
    »Weißt du denn nicht, daß ich mich nach dir sehnte, lange bevor er beschlossen hat, daß wir heiraten?«
    »Doch, ich weiß es.« Sie sah ihn an. »Aber was falsch ist, bleibt falsch.«
    »Hier ist es nicht falsch. Hier …« Er zuckte die Schu l tern. »Menschen, die von anderswoher ko m men, haben immer Schwierigkeiten, uns zu verstehen. Bei uns sind nicht viele Dinge verboten. Die meisten von uns glauben nicht an Götter, böse Geister und Teufel, die sie besänft i gen oder fürc h ten müssen. Wir haben Doro, er genügt uns. Er sagt uns, was wir tun sollen. Und wenn es etwas ist, was andere Leute nicht tun, spielt es keine Rolle – weil wir nicht überleben würden, wenn wir uns weigerten.«
    Er stand auf und trat an die Feuerstelle. Die Wärme schien ihm gutzutun. »Doros Wege sind mir nicht fremd oder unverständlich«, sagte er. »Ich habe mein ganzes L e ben mit ihm verbracht. Ich habe auch die Frauen mit ihm geteilt. Meine erste Frau …« Er stockte, sah sie verlegen an, als fürchte er, seine Worte könnten sie verletzt haben.
    Doch Anyanwus Gesicht war ausdruckslos. Ihr En t schluß stand fest. Nichts, was der Junge sagte, würde sie umsti m men.
    »Die erste Frau, die ich besaß«, fuhr er fort, »schic k te er von sich zu mir. Die Frauen sind stolz, wenn sie zu ihm kommen dürfen. Auf mich war keine beso n ders versessen – bis sie merkten, daß ich in seiner Gunst stand.«
    »Dann geh doch wieder zu ihnen!« sagte Anyanwu r u hig.
    »Ich würde es ja tun«, antwortete er ebenfalls mit ruh i ger Stimme. »Aber ich habe nicht mehr das Verlangen d a zu. Ich möchte bei dir bleiben – für den Rest meines L e bens.«
    Sie hatte den Wunsch, aus dem Zimmer zu stürzen. »Laß mich allein, Isaak!«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Wenn ich diesen Raum heute Nacht verlasse, wirst du im selben Augenblick sterben. Verlange nicht von mir, daß ich deinen Tod b e schle u nige!«
    Sie sagte kein Wort.
    »Außerdem möchte ich, daß du diese Nacht zum Nac h denken benutzt.« Er blickte sie stirnrunzelnd an. »Kannst du es wirklich übers Herz bringen, deine Kinder zu o p fern?«
    »Welche Kinder, Isaak? Die, die ich schon hatte oder die, die ich noch bekommen soll von dir und von ihm?«
    Er kniff die Augen halb zu und schwieg.
    »Ich kann ihn nicht töten. Ich weiß nicht einmal, was es an ihm zu töten gibt. Als er sich in einem anderen Körper au f hielt, habe ich ihn einmal gebissen. Er schien nicht mehr als Fleisch, nicht mehr als ein Mann zu sein.«
    »Du würdest ihn nicht einmal berühren können«, sagte Isaak. »Lale hat es einmal versucht. Er streckte die Hände nach Doro aus, um ihn umzustimmen. Es wäre fast sein Tod gewesen. Wenn Doro nicht seine ganze Energie au f gewandt hätte, ihn nicht zu töten, Lale wäre verloren gew e sen. Doro hat Fleisch, aber er ist selbst weder Fleisch noch Geist – sagt er.«
    »Ich kann das nicht begreifen«, erwiderte Anyanwu. »Doch das ist nicht wichtig. Ich kann meine Kinder nicht vor ihm schützen. Ich kann mich selbst nicht vor ihm schützen. Aber ich werde ihm nicht dabei helfen, noch mehr Me n schen zu schänden und zu besudeln.«
    Isaak wandte sich vom Feuer ab, ging zu seinem Stuhl zurück und zog ihn näher an den ihren heran. »Du könntest Generationen Ungeborener retten, wenn du wolltest, Anyanwu. Du könntest selbst ein gutes, friedliches Leben h a ben, und du könntest ihn davon abhalten, so viele andere Menschen zu töten.«
    »Wie könnte ich ihn aufhalten«, sagte Anyanwu voller Spott. »Kann ich einen Leoparden davon abha l ten, das zu tun, wozu er geboren wurde!«
    »Er ist kein Leopard. Er ist überhaupt nicht irgendein vernunftloses Tier.«
    Der Ärger in seiner Stimme war deutlich herausz u hören. Anyanwu seufzte. »Er ist dein Vater.«
    »O Gott«, entfuhr es Isaak. »Was kann ich tun, damit du begreifst. Ich nehme es dir nicht übel, wenn du meinen V a ter beleidigst oder Kritik an ihm übst, Anyanwu. Ich möc h te dir nur klarmachen, daß er auf seine Art ein durchaus vernunftbegabtes Wesen ist. Deine Vorwürfe sind berec h tigt, was sein Töten angeht.

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