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Wilde Schafsjagd

Wilde Schafsjagd

Titel: Wilde Schafsjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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hatten Respekt vor ihm. In wissenschaftlicher Hinsicht war er nach wie vor ausgezeichnet, aber er war auch beliebt. Ein perfekter Elitestudent, ohne jeden Makel. In die üblichen Studentenstreiche war er nie verwickelt. In jeder freien Minute las er, und wenn er dazu keine Lust mehr hatte, ging er in den Park der Universität, um Geige zu spielen. Die goldene Uhr trug er stets bei sich, in einer Tasche seiner Studentenuniform.
    Er absolvierte die Universität mit dem besten Examen und wurde vom Landwirtschaftsministerium als Superelite-Kandidat aufgenommen. Thema seiner Examensarbeit war, vereinfacht ausgedrückt, der Zusammenschluss der japanischen Inseln mit Korea und Taiwan zur großflächigen, planwirtschaftlichen Landnutzung. Die Arbeit hatte einen Anflug von übertriebenem Idealismus, doch zur damaligen Zeit erregte sie Aufsehen.
    Nach einer zweijährigen Grundausbildung im Ministerium ging der Schafprofessor zum Studium des Reisbaus nach Korea. Er legte einen Entwurf zur Steigerung der Reisproduktion auf der koreanischen Halbinsel vor, der vom Ministerium angenommen wurde.
    1934 wurde er nach Tokyo zurückbeordert und einem jungen Armeegeneral vorgestellt. Angesichts des bevorstehenden groß angelegten Vormarschs der Armee nach Nordchina beauftragte der General ihn mit der Planung und Durchführung eines Selbstversorgungssystems für Schafwolle – die erste Begegnung des Schafprofessors mit Schafen. Nachdem er die Rahmenplanung für die Produktionssteigerung der Schafzucht in Japan, der Mandschurei und der Mongolei fertig gestellt hatte, fuhr er im Frühjahr des darauf folgenden Jahres in die Mandschurei, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu begutachten. Damit begann sein Niedergang.
    Das Frühjahr 1935 ging ohne besondere Vorkommnisse vorüber. Es geschah im Juli. Auf einem Erkundungsritt, den er alleine unternahm, verschwand der Schafprofessor spurlos.
    Es vergingen drei, es vergingen vier Tage, aber er kam nicht zurück. Der Suchtrupp, an dem auch Armeeangehörige teilnahmen, durchkämmte verzweifelt die Wildnis, doch man fand keine Spur von ihm. Die Leute vermuteten, er sei von Wölfen angefallen oder von einer Bande Einheimischer entführt worden. Aber nach einer Woche, als man ihn schon vollkommen aufgegeben hatte, kam er gegen Abend abgemagert und völlig heruntergekommen ins Lager zurück. Sein Gesicht bestand nur noch aus Haut und Knochen und war ziemlich zerschnitten, doch seine Augen leuchteten. Sein Pferd und die goldene Uhr hatte er verloren. Er erklärte, er habe sich verirrt und das Pferd sei verletzt worden, und die Leute glaubten ihm.
    Aber ungefähr einen Monat später kursierte im Lager ein seltsames Gerücht. Man erzählte sich, er habe eine »besondere Beziehung zu einem Schaf« gehabt. Aber was mit »besondere Beziehung« genau gemeint war, wusste niemand. Sein Vorgesetzter bestellte ihn zu sich, um die Wahrheit herauszubekommen. In einer Kolonialgesellschaft kann man ein Gerücht nicht einfach ignorieren.
    »Haben Sie wirklich eine besondere Beziehung zu einem Schaf gehabt?«, fragte sein Vorgesetzter.
    »Ja«, antwortete der Schafprofessor.
    Der weitere Wortwechsel verlief ungefähr wie folgt:
    V: »War diese besondere Beziehung sexueller Art?«
    S: »Nein.«
    V: »Dann erklären Sie, welcher Art sie war!«
    S: »Es war eine geistige Beziehung.«
    V: »Das ist keine Erklärung!«
    S: »Die Angelegenheit ist schwer in Worte zu fassen, aber geistige Verbindung kommt ihr, glaube ich, am nächsten.«
    V: »Sie wollen sagen, Sie sind mit einem Schaf eine geistige Verbindung eingegangen?«
    S: »Ja, so ist es.«
    V: »Sie behaupten also, in der Woche, in der Sie spurlos verschwunden waren, mit einem Schaf eine geistige Verbindung eingegangen zu sein?«
    S: »Ja.«
    V: »Sind Sie nicht der Meinung, dass das eine Verletzung Ihrer Pflichten ist?«
    S: »Schafe zu studieren ist meine Pflicht.«
    V: »Geistige Verbindungen mit Schafen gehören nicht zu Ihrem Forschungsauftrag. Ich möchte, dass das von jetzt an aufhört. Besinnen Sie sich, Mensch! Sie haben schließlich die agrarwissenschaftliche Fakultät der Kaiserlichen Universität Tokyo mit Auszeichnung absolviert, nach Eintritt in das Ministerium ebenfalls nur hervorragende Arbeit geleistet und sollen immerhin für die Landwirtschaftspolitik des zukünftigen Großasien die Verantwortung übernehmen!«
    S: »Das weiß ich.«
    V: »Dann vergessen Sie die geistige Verbindung mit dem Schaf! Schafe sind nichts als Haustiere.«
    S: »Es ist

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