Wilde Wellen
ein Trost für ihn sein, wenigstens zu wissen, wer für ihren Tod verantwortlich war?
»Du hattest nicht einmal die Gelegenheit, sie kennenzulernen. Und kämpfst doch dafür, dass ihr Tod gesühnt wird. Verstehst du nicht, dass ich ebenso für meinen Vater kämpfe?«
Natürlich verstand er das. Aber er wusste nicht, was jetzt noch zu tun sein sollte. Was konnte Marie gegen Michels Geständnis tun? Zumal es so erdrückende Beweise gab?
Wie gut sie die Menschen kannte. Claire legte den Hörer auf und war mit sich zufrieden. Wenn sie einen Moment daran gezweifelt hatte, das Richtige getan zu haben, schien ihr Plan am Ende doch aufzugehen. Wie eine Marionette, deren Fäden sie in der Hand hatte, ging Michel genau die Schritte, die sie ihm vorgab. Sie konnte sich sehr genau vorstellen, wie er in seiner Zelle saà und mit einem Mal unendlich erleichtert war. Jetzt war für ihn die Zeit der Sühne gekommen, um die er sicher jeden Abend in seinem einsamen Bett gefleht hatte. Nur einen winzigen Moment lang war sie unsicher geworden, ob alles so funktionieren würde, wie sie es sich vorgestellt hatte. Als Leon seinen Anwalt Maître Jumas ins Spiel gebracht hatte. Den Experten auch für die aussichtslosesten Fälle. Und da Michel unschuldig war, hatte zu befürchten gestanden, dass er ihn tatsächlich in kürzester Zeit frei haben würde. Seine Stimme war deutlich verärgert gewesen, als er ihr am Telefon gerade gesagt hatte, dass Michel ihn nicht einmal hatte sehen wollen, geschweige denn sich von ihm verteidigen lassen wollte. Gut dass er Leon nicht erreicht hatte. Der hätte ihm sicher die Hölle heiÃgemacht. Hätte ihn gezwungen, weitere Versuche zu unternehmen, zu Michel vorzudringen. Jetzt hatte sie es in der Hand. Sie würde Leon erst einmal nichts davon erzählen, dass Michel ein Geständnis abgelegt hatte. Sie würde sagen, Jumas hätte angerufen und gesagt, alles ginge seinen Gang. Und irgendwann in den nächsten Tagen würde Leon erfahren, dass Michel gestanden hatte. Und sie würde da sein. Ihn trösten. Trösten darüber, dass sich sein Freund Michel als ein feiger Mensch erwies, der Leons beste Freundin Céline getötet hätte. Im Gegensatz zu Leon, der natürlich befürchten würde, dass Michel nun auch alles andere erzählen würde, war Céline ganz ruhig. Er würde den Freund nicht mit in den Abgrund reiÃen. Er würde die Gelegenheit zur Sühne, die sich ihm bot, wahrnehmen. Und er würde nie mehr aus dem Gefängnis herauskommen. Zufrieden schenkte sie sich ein Glas Champagner ein. Ein weiteres Puzzlestück ihres Plans lag nun genau da, wo es hingehörte. Sie hatte es in der Hand. Sie hatte dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen. Ihr Wille war es, der das Spiel zu einem guten Ende bringen würde. Allein ihr Wille. Nicht mehr lange, und alles würde so sein, wie es sein musste.
Als sie wieder zum Hörer griff, war ihre Stimme durch die halbe Flasche Champagner, die sie inzwischen getrunken hatte, beschwingt.
»Florence, ma chère? Ich wollte hören, wie es deinem wunderbaren Plan geht? Hast du deinen Willen bekommen?«
Wenn sie vor einem anderen Menschen Respekt hatte, dann vor ihrer Freundin Florence, die sich vor Jahren mit einem untrüglichen Gespür für Macht und Geld den reichen Bauunternehmer François LaRue geangelt hatte. Die Tatsache, dass Florence bei Paul Racine noch nicht ganz zum Ziel gekommen war, beunruhigte sie nicht. Die Angel war ausgeworfen. Und sie musste sich schon sehr in Paul Racines wissenschaftlichem Ehrgeiz täuschen, wenn er sich am Ende nicht doch durch Florences Angebot locken lassen würde. Es war schlieÃlich immer das Geld, das den Ausschlag gab. Selbst solche Menschen wie der ehrenhafte Archäologe Paul konnten sich der Verlockung des Mammons nicht entziehen. Auch wenn es nur darum ging, seine Forschungen weiterzuführen.
»Er hat sich ein paar Tage Bedenkzeit ausbedungen. Aber ich bin mir sicher, wenn er sich mein Angebot genau ansieht, kann er gar nicht ablehnen.« Florence lachte ihr helles Lachen. Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr einen Wunsch abschlug.
»Ich hab das Glitzern in seinen Augen gesehen. Du kannst sicher sein, dass er den Köder geschluckt hat. Vielleicht schlägt er noch ein bisschen um sich, wenn er die Schnur bemerkt, an der er hängt. Aber es ist eine Schnur aus Gold. Die ihn auf
Weitere Kostenlose Bücher