Wilde Wellen
den Sitz zurückschieben, um bequem sitzen zu können. Aber es ging nicht. Sie hob den kleinen Hebel an der Seite an und stemmte sich mit den FüÃen gegen den Boden. Aber der Sitz rührte sich nicht. Irgendetwas klemmte. Sie saà eingezwängt da. Die Knie berührten das Lenkrad. Noch einmal versuchte sie, mit aller Kraft den Sitz zurückzuschieben. Es ging nicht. Der Sitz saà bombenfest, als wäre er angeschweiÃt.
Mein Gott, das war es doch! Das war der Beweis! Das war der Beweis, dass ihr Vater das Auto nicht gefahren haben konnte. Der Sitz war so weit vorn, dass nicht einmal sie das Auto hätte fahren können. Ihr Vater war fast ein Meter neunzig groÃ. Er hätte es nicht geschafft, sich hinter das Lenkrad zu klemmen, ohne den Sitz zurückzuschieben. Geschweige denn das Auto fahren können. Sie hatte den Beweis gefunden! Dieses Auto konnte auf keinen Fall von ihrem Vater gefahren worden sein.
Paul zuckte zusammen, als er Maries Aufschrei hörte. Sie stieg aus, kniete sich hin, versuchte von auÃen den Sitz zu verschieben. Auch das ging nicht. Er war festgerostet in den Jahren, in denen das Auto in der Garage gestanden hatte.
»Er kann es nicht gefahren haben. Kein Mensch, der gröÃer ist als meine Mutter, kann dieses Auto gefahren haben. Paul! Ich hab den Beweis gefunden. Ich kann beweisen, dass mein Vater das Auto nicht gefahren hat.«
Es war so einfach, dass es fast verrückt war. Wer auch immer versucht hatte, Michel die Schuld an Célines Tod in die Schuhe zu schieben, hatte nicht daran gedacht, dass der groÃe Mann niemals hinter das Steuer des kleinen Autos gepasst hätte. Marie kamen vor Erleichterung die Tränen. Was auch immer ihr Vater in der Vergangenheit getan hatte â Célines Mörder war er nicht.
3
Claires zarte Teetasse aus Limoges-Porzellan klirrte, als sie sie auf den Unterteller zurückstellte. Ihre Hand zitterte. Das konnte nicht wahr sein. Michel war frei? Er hatte doch gestanden. Er hatte doch zugegeben, dass er Céline getötet hatte. Wieso war er jetzt auf freiem Fu�
»Das ist völlig unmöglich. Man lässt bei uns keinen Mörder bis zu seiner Verhandlung auf freiem FuÃ.« Caspar musste sich verhört haben. Irgendein dummes Gerücht aufgeschnappt haben, von denen in den letzten Tagen so viele durch den Ort waberten.
»Nein. Es ist wahr. Marie selbst hat es mir gesagt. Ihr Vater ist frei. Und die Anklage wurde fallen gelassen.«
Claire hielt sich am Küchentisch fest. Der Boden schien unter ihr zu schwanken. Was war passiert? Wieso verdächtigte man Michel nicht mehr? Die Beweise für seine Tat waren doch eindeutig gewesen. Caspar konnte ihr nicht sagen, wieso man Michel plötzlich freigelassen hatte. Er hatte Marie getroffen, als er auf dem Weg in die Firma war. Sie hatte gestrahlt. War einfach nur glücklich gewesen. Ihr Vater war frei. Und nicht mehr verdächtig.
»Das ist doch eine gute Nachricht, Maman.« Er spürte, dass seine Mutter auÃer sich war. Und konnte sich nicht erklären, wieso sie sich nicht für den alten Freund freute.
»Es hat doch sowieso niemand geglaubt, dass er es getan hat. Ich meine, wir kennen Michel doch. Er wäre zu so etwas niemals fähig gewesen.«
»Niemand weiÃ, wozu der andere fähig ist. Glaubst du wirklich, man kann in die Seele eines Menschen sehen?« Sie musste sich zusammen nehmen. Sie durfte ihre Enttäuschung niemandem zeigen. Auch nicht ihrem Sohn, der sofort zu ihr nach Hause gekommen war, um ihr die gute Nachricht zu überbringen. Natürlich, er hatte gedacht, dass es auch für sie eine gute Nachricht sei. Er wollte, dass sie etwas hatte, über das sie sich freute. Das war lieb von ihm gewesen.
»Danke, dass du gleich gekommen bist, um mir das zu erzählen. Ich habe mir tatsächlich Gedanken gemacht, wie es Michel im Gefängnis gehen würde. Aber jetzt ist ja alles gut. Wenigstens für ihn.« Und nur für ihn, dachte sie. Denn, wenn Michel nicht mehr verdächtigt würde, hieà das, dass die Polizei nun nicht mehr nur nach dem Fahrer des Autos fahnden würde, sondern auch nach demjenigen, der mit so viel Aufwand versucht hatte, den Verdacht auf Michel zu lenken. Ihre Gedanken rasten. Konnte es sein, dass ihr Plan in sich zusammenfiel? Sie musste sich zusammenreiÃen. Und einen Schritt nach dem anderen gehen. Und vor allem durfte sie ihr Ziel nicht aus den
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