Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
Vom Netzwerk:
Augen verlieren.
    Caspar spürte, dass ihm die Zeit davonlief. Michel war nicht mehr im Knast. Also würde es sehr viel schwerer werden, Marie davon zu überzeugen, von hier wegzugehen. Wie glücklich sie ausgesehen hatte. Ihr Vater war frei. Sicher würde sie sich in den nächsten Tagen besonders liebevoll um ihn kümmern. Sie würde versuchen, ihm zu helfen, den Schock der Anklage und die Tage im Untersuchungsgefängnis zu vergessen. Sie würde für ihn da sein wollen. Alles tun, dass es ihm gut ging. Und was war mit ihm? Er hatte gerade seinen Vater verloren. Musste sie sich nicht auch um ihn kümmern? Hatte sie das nicht versprochen? Doch vielleicht dachte sie, jetzt, da Eva ins Schloss gezogen war, würde er sie nicht mehr brauchen. Vielleicht hatte er sich zu stark gegeben. Zu männlich. Vielleicht traute sie ihm ja wirklich zu, dass er den Tod seines Vaters ganz gut allein verarbeiten konnte. Den Tod seines Vaters? Er war erstaunt, wie geläufig ihm dieser Gedanke inzwischen war. Wieso trauerte er nicht mehr um seinen Vater? Der ihn ganz sicher geliebt hatte. War er ein schlechter Mensch? Weil er insgeheim froh war, dass sein Vater nicht mehr da war? Diese leuchtende Denkmal, das ihm seine Mutter zeit seines Lebens als Vorbild hingestellt hatte. Jetzt endlich würde der Schatten von Leon Menec, in dem er sich immer nur wie ein unscheinbarer Schemen vorgekommen war, verblassen und er, Caspar, würde endlich von der Sonne beschienen werden. Er würde wachsen. Würde an Ansehen und Gewicht gewinnen. Bis man eines Tages nicht mehr sagen würde, dass er der Sohn von Leon Menec sei. Sondern dass Leon Menec der Vater des bekannten und beliebten Caspar gewesen sei. Er spürte eine ungeahnte Kraft in sich wachsen. Eine Tatkraft. Und Zuversicht. Die er nie in sich vermutet hätte. Er würde seinen Weg gehen. Und Marie mit ihm.
    Michel konnte es kaum glauben, dass er hier saß und von seinem besten Bordeaux trank. An einem Tisch vor seinem Lokal, auf den die warme Herbstsonne schien. Ihm gegenüber Marie. Und dieser Paul Racine, der zusammen mit Marie gekommen war, um ihn vom Gefängnis abzuholen. Jetzt, da er die Freiheit wieder genoss, konnte er sich nicht mehr erklären, wie es gekommen war, dass er zugegeben hatte, Céline getötet zu haben. Wieso er einfach aufgegeben hatte. Bereit gewesen war, den Rest seiner Tage im Gefängnis zu verbringen. Nicht nur von seiner Tochter, sondern auch vom Rest der Welt für einen Mörder gehalten. Das Leben war doch viel zu wertvoll, als dass man es so achtlos beiseiteschob. Natürlich, er hatte vor vielen Jahren einen fürchterlichen Fehler gemacht. Aber hatte er nicht lange genug darunter gelitten? War es nicht Strafe genug gewesen, dass er sein Leben einsam und geplagt von Schuldgefühlen mehr schlecht als recht hinter sich gebracht hatte? Sollte nicht auch ein Mann wie er eine Chance bekommen?
    Marie merkte, dass ihr Vater ihr nicht zuhörte.
    Â»Papa. Wo bist du mit deinen Gedanken?«
    Â»Entschuldige, Liebes. Ich habe mir gerade vorgestellt, wie es gewesen wäre, dich nie mehr zu sehen. Eine furchtbare Vorstellung. Was hast du gesagt?«
    Marie hatte es nicht übers Herz gebracht, Michel zu sagen, was mit Leon passiert war. Er war so dankbar gewesen, aus dem Gefängnis zu kommen. So glücklich. Er sah zum ersten Mal seit sie ihn kannte mit einem gewissen Optimismus in die Zukunft. Aber sie musste es ihm sagen. Er durfte es nicht zufällig von irgendjemandem auf der Straße erfahren.
    Â»Es ist etwas passiert, als du im Gefängnis warst. Mit Leon Menec.«
    Leon? Es war etwas mit Leon passiert. Michels Herz setzte einen Schlag aus. Leon. Der strahlende, unbesiegbare Leon?
    Er sollte ertrunken sein? Er sollte mit der Yacht hinausgefahren und nicht mehr zurückgekommen sein? Das war unmöglich. Leon fuhr nicht mehr aufs Meer. Genauso wenig wie er, Michel. Das Meer hatte ihnen zu viel genommen. Niemals würden sie sich ihm wieder anvertrauen. Das konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein, dass Leon auf dem Grunde des Meeres lag. Ein Autounfall, ja, so etwas passiert. Auch ein Herzinfarkt. Oder ein Schlaganfall. Das wäre grausam. Aber möglich. Aber dass er auf dem Meer umgekommen sein sollte …
    Â»Wieso sollte er hinausgefahren sein? Er hätte das niemals gemacht.«
    Â»Er ist gesehen worden, Papa. Es gibt keinen Zweifel, dass er mit der Yacht hinausgefahren

Weitere Kostenlose Bücher