Wilde Wellen
mitgebracht.«
Es hatte nur dieses eine Wort gebraucht, und da war Claires alte Stärke wieder zurück. Eva? Was wollte sie hier? Wollte sie etwa ihr Erbe schon antreten? Kaum war Leon verschwunden, umgarnte sie Caspar und machte einen auf Familiensinn?
»Liebste Eva.« Claire Stimme war melancholisch, als sie die Tochter ihres Mannes an sich zog. »Es tut mir so leid.«
Sie küsste Eva auf die Wangen, strich ihr mit einer liebevollen Geste über das Gesicht.
»Wie geht es dir, Claire. Ich wollte fragen, ob ich was für dich tun kann?« Claire lächelte traurig. Ihr schönes Gesicht schien durch die angstvolle Ungewissheit, in der sie schwebte, verletzlich und durchsichtig zart geworden zu sein. Doch es war deutlich, dass sie versuchte, sich zusammenzureiÃen.
»Ich habe Angst. Ich habe Angst, dass Leon etwas zugestoÃen ist. Aber ich weigere mich zu glauben, dass er nicht mehr lebt. Deswegen ⦠Deswegen sollten wir alle uns bemühen, so weiterzuleben, wie wir es bisher getan haben.«
»Eva wird bis auf Weiteres die Geschäfte der Firma führen.«
»Aber das ist doch nicht nötig. Eva hat einen Job in Frankfurt. Liebes, das musst du nicht tun. Du musst nicht hierbleiben.«
Das war das Letzte, was Claire wollte, dass Eva sich unentbehrlich machte. Es war Caspars Aufgabe, die Firma zu leiten, wenn Leon nicht da war. Sicher, es war ein bisschen früh. Aber ein Sprung ins kalte Wasser hatte noch keinem geschadet. Doch es gelang ihr nicht, Eva davon zu überzeugen, dass sie hier nicht gebraucht wurde. Im Gegenteil, es kam noch schlimmer.
»Ich habe Eva eingeladen, für ein paar Tage im Schloss zu wohnen.« Was redete Caspar denn da? Wurde er plötzlich sentimental? »Es ist gut, wenn in schwierigen Zeiten die Familie zusammenhält. Was es auch immer für Differenzen gegeben haben mag, wir sollten sie nun vergessen.« Natürlich musste die Familie in solchen Zeiten zusammenhalten. Aber Leons Familie, das waren sie und Caspar und sonst niemand. Keiner hatte hier was zu suchen auÃer ihr und ihrem Sohn.
»Ruh dich aus, Claire. Ich werde mich um alles kümmern, was zu tun ist.«
»Aber es ist nichts zu tun. Leon wird zurückkommen. Man muss sich um gar nichts kümmern. Wir müssen nur geduldig sein und warten.«
»Wir werden warten, Maman. Was anderes können wir auch nicht tun. Aber wir müssen uns auch überlegen, wie es weitergehen wird, wenn ⦠wenn wirklich das Schlimmste eingetreten ist.«
»Du willst wissen, wie es nach Leons Tod weitergehen wird?« Ihre Stimme klang kühl und abweisend. »Das sag ich dir, mein Sohn. Wenn Leon tot ist, bist du sein Erbe. Du wirst an seine Stelle treten und das, was dein Vater aufgebaut hat, weiterführen. So gut und erfolgreich, wie er es getan hat.«
»Aber Eva ist seine Tochter, sie wird â¦Â«
»Nein. Wird sie nicht. Leon hat dich zum Alleinerben eingesetzt.«
Caspar starrte seine Mutter fassungslos an. Eva, sollte sie durch diese Neuigkeit wirklich schockiert sein, hatte sich gut im Griff.
»Aber das kann doch nicht sein. Ich will das überhaupt nicht. Eva hat genauso ein Recht zu erben wie ich. Ich werde auf jeden Fall alles mit ihr teilen.«
»Das wirst du nicht. Du wirst dich dem Willen deines Vaters beugen, Caspar. So wie es deine Pflicht als einziger Sohn ist.« Sie wandte sich mit erschöpftem Blick zu Eva.
»Es tut mir leid. Ich habe versucht, es zu verhindern, aber Leon hat sich nicht davon abbringen lassen, Caspar als Alleinerben einzusetzen. Er hatte wohl die Hoffnung aufgegeben, dass es noch einmal zu einer Versöhnung zwischen euch kommen könnte.«
»Schon gut, ich habe nichts anderes erwartet.« Eva wandte sich Caspar zu. »Ich bin sicher, du wirst ein würdiger Erbe sein.«
In Caspars Kopf stoben die Gedanken durcheinander. Alleinerbe? Sein Vater hatte ihm alles vermacht. Alles? Das war ja Wahnsinn. Er würde die Firma verkaufen und dann abhauen. Mit Marie. Okay, seiner Mutter würde er genügend Geld lassen, damit sie zeit ihres Lebens gut und luxuriös leben konnte, hier im Schloss. Aber das würde es dann auch schon gewesen sein.
»Allerdings ist eine Bedingung an das Erbe geknüpft. Du darfst du Firma nicht verkaufen. Solltest du das tun, geht der Erlös in eine Stiftung zugunsten der Familien von ertrunkenen Seeleuten.«
Okay, es gab also doch einen PferdefuÃ.
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