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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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Alles hinter mir zu lassen.«
    Was wollte er hinter sich lassen? Er war ein glücklicher Mann mit einem erfüllten Leben. Wieso wollte er nicht dorthin zurückkehren?
    Â»Nur einen Tag. Oder zwei. Gib mir diese Zeit. Dann werde ich wissen, was zu tun ist. Ich flehe dich an, Sabine. Hilf mir.«
    Sabine dachte an Eva, die so verzweifelt war, weil sie ihren Vater verloren hatte. Wenigstens ihrer Tochter musste sie doch sagen, dass …
    Â»Ich werde alles in Ordnung bringen. Ich verspreche es dir. Aber ich brauche Zeit, um meine Gedanken zu ordnen. Um zu begreifen, was eigentlich vor sich geht.«
    Â»Eva ist außer sich vor Schmerz, weil sie nicht mehr dazu gekommen ist, sich mit dir zu versöhnen. Sie ist meine Tochter. Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich ihr den Schmerz nicht nehme, wenn ich es kann.«
    Â»Wieso sollte sie um mich trauern? Sie hat sich die ganzen letzten Jahre geweigert, mit mir zu reden. Sie hat jeden Versuch, den ich unternommen habe, mich ihr zu nähern, abgeblockt.« Seine Stimme war hart.
    Â»Jeden Versuch? Du bist ihr aus dem Weg gegangen. Die Briefe, die sie dir geschrieben hat, sind ungeöffnet zurückgekommen. Und wenn sie Claire gebeten hat zu vermitteln – und das hat sie oft getan –, ließest du ihr ausrichten, dass sie nicht mehr deine Tochter sei.«
    Leon schloss die Augen. Wollte er die Wahrheit nicht hören? Hatte er wirklich kein Interesse an seiner Tochter, nicht einmal in dieser Situation? Einen Augenblick lang wünschte sich Sabine, Leon würde einfach wieder verschwinden. Was er von ihr verlangte, war unmenschlich. Sie konnte ihm nicht helfen. Sie wollte ihm nicht helfen. Doch da war etwas in der Haltung dieses Mannes, das sie innehalten ließ. Diese Müdigkeit. Diese Verzweiflung. Diese Unsicherheit, die sein verlorener Blick ausstrahlte.
    Â»Ich kann dir nicht zumuten, mich zu verstecken, du hast ja recht.« Er ging zur Tür. »Nur um eins bitte ich dich: Lass mich selbst entscheiden, wann ich wieder auftauche.« Der Wind fauchte in das Atelier, als er die Tür öffnete, um zu gehen. Wenn er jetzt in die Dunkelheit hinausging, würde sie ihn dann wiedersehen?
    Â»Bleib. Ich verstehe zwar nicht, was in dir vor sich geht, aber ich kann dich nicht gehen lassen. Zwei Tage, Leon. Du kannst zwei Tage bleiben. Aber dann musst du entscheiden, was du tun willst.«
    Als sie seine Hand nahm, erschrak sie, weil sie so eisig war. Als würde die Kälte des Atlantiks immer noch in seinen Knochen stecken. Nur in seinen Knochen? Oder auch in seiner Seele? Was war nur mit ihm geschehen?
5
    Die wehen Töne des Cellos erfüllten das Schloss, das mit Hunderten von Kerzen beleuchtet war. Leon hatte die a-Moll-Sonate von Franz Schubert sehr geliebt. Und die junge Cellistin Mireille, die Claire über eine Agentur engagiert hatte, verlieh der melancholischen Musik einen berührenden Zauber.
    Vielleicht war es ja richtig, was Claire geplant hatte? Die Gäste, die alle zunächst zurückhaltend bis empört auf Claires Vorhaben reagiert hatten, eine Feier für Leon zu veranstalten, ließen sich schon im ersten Moment, in dem sie die Halle des Schlosses betraten, von der Atmosphäre, die Claire geschaffen hatte, gefangen nehmen. Es war der Ort, an dem Leon gelebt hatte. Er war erfüllt von den Klängen des Cellos und dem betörenden Duft der weißen Lilien, die in Dutzenden großer Vasen arrangiert waren. Das Kerzenlicht tauchte die Halle in eine flackernde Feierlichkeit, die dem Anlass angemessen schien. Claire trug ein schlichtes weißes Kleid, das seidig ihren schmalen Körper umwehte, als sie die Treppe in die Halle herabkam. Ihre Haare waren zu einem tiefen Chignon gewunden, das Gesicht leuchtete in seiner ungeschminkten Blässe. Ihr Lächeln hatte einen traurigen Beiklang, als sie die Gäste begrüßte, die stumm auf das große Foto von Leon sahen, das auf einem kleinen Tisch in der Nähe der Musikerin aufgestellt war.
    Â»Ich freue mich, liebe Freunde, dass ihr gekommen seid, um mit mir ein paar Stunden an meinen Mann Leon zu denken. Wir wollen versuchen, die Traurigkeit nicht überhandnehmen zu lassen. Vielmehr wollen wir über ihn reden, wollen die Musik hören, die er geliebt hat. Den Duft der Lilien riechen, den er gemocht hat. Wir wollen seine Lieblingsspeisen essen und den Champagner trinken, mit dem er und ich so oft auf unser Glück

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