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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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Paul. Dass von ihm noch eine ganz andere Gefahr ausging, ahnte er nicht.
    Â»Marie hatte mich gefragt, ob sie ihn mitbringen kann, und ich habe selbstverständlich Ja gesagt. Er scheint ein netter Mann zu sein. Also komm jetzt bitte, wir wollen anfangen zu essen.«
    Caspar wusste, dass er sich zusammenreißen musste. Seine Mutter durfte keinen Verdacht schöpfen. Sie durfte nicht erfahren, dass er in Marie verliebt war. Also durfte sie auch nicht erfahren, dass er fürchtete, Paul Racine könnte ihm Marie wegnehmen.
    Â»Tut mir leid, Maman. Ich fürchte, ich bin im Moment ein bisschen empfindlich. Natürlich weiß ich, dass du Maries Freund nicht wegschicken kannst, nur weil ich ihn unsympathisch finde.«
    Claire umarmte ihren Sohn. Er hatte sich so tapfer gehalten in der letzten Zeit, dass sie es ihm nachsah, dass er nun einen kleinen Ausraster hatte.
    Â»Mach dir keine Gedanken, du wirst ihn kein zweites Mal sehen müssen. Zufällig weiß ich, dass er schon bald wieder von hier weggehen wird. Er hat wohl ein Forschungsprojekt in Vietnam.«
    Eigentlich hätte Caspar beruhigt sein müssen. Aber je länger der Abend dauerte, desto mehr wuchs in ihm eine panische Angst. Denn nicht nur, dass Marie und Paul ganz offensichtlich ein Liebespaar waren, was Caspar an ihren Blicken und diesen kleinen, scheinbar unauffälligen Berührungen erkannte, auch Michel schien sich gut mit Paul zu verstehen. Und sogar Sabine freute sich ganz offensichtlich, den berühmten Archäologen wiederzusehen. Je zufriedener Claire mit dem gelungenen Abend war, desto trüber wurden Caspars Gedanken. Es konnte doch nicht sein, dass alles umsonst gewesen sein sollte. Dass Marie am Ende nicht mit ihm kommen wollte, weil es plötzlich einen Typen namens Paul Racine in ihrem Leben gab. Während sich die Gespräche, die von kurzen Cellostücken unterbrochen wurde, um Leon und sein Leben rankten, während Claire und ihre Gäste sich die Anekdoten über Leon zuwarfen, versank Caspar immer mehr in seinen Befürchtungen. Und als er die Gäste kurz nach Mitternacht zu ihren Autos brachte und sie verabschiedete, wusste er zumindest, dass er den Kampf um Marie nicht aufgeben würde. Im Gegenteil, er hatte gerade begonnen.
    Als hätte Leon geahnt, dass Claire die a-Moll-Sonate spielen lassen würde, hatte er sie instinktiv mit einem einzigen Griff in Sabines CD -Sammlung gefunden und aufgelegt. Wie so oft, wurde er schon nach den ersten Takten der Musik ganz ruhig. Es war ein merkwürdiges Gefühl, hier, in Sabines Atelier, in der Dunkelheit zu sitzen und zu wissen, dass in seinem Schloss gerade die Menschen, die er liebte oder mit denen er befreundet war, bei seinem Lieblingsessen, Rehmedaillons mit Himbeerconfit und Pommes Dauphines, saßen und über ihn redeten. Und dabei so taten, als glaubten sie wirklich, dass er noch lebte. Sabine hatte sich eigentlich entschuldigen wollen. War sie schon unsicher gewesen, ob sie hingehen sollte, als sie noch dachte, dass Leon tot sei, so war sie ganz sicher gewesen, dass sie es nicht tun würde, nachdem Leon bei ihr aufgetaucht war. Es würde ihr schon einen Ausrede für Claire einfallen. Und wenn es die berühmte Migräne war, zu der auch Claire hin und wieder griff, wenn sie sich vor etwas drücken wollte. Doch Leon hatte darauf bestanden, dass sie das Versprechen, das sie Eva gegeben hatte, nicht brach.
    Â»Du hast gesagt, du wirst ihr beistehen, das musst du jetzt auch tun.«
    Â»Ich soll neben Eva sitzen und so tun, als würde ich um dich trauern? Wie pervers ist das denn?« Sie hasste den Gedanken, ihrer Tochter etwas vormachen zu müssen. Aber sie hatte sich darauf eingelassen, Leon Unterschlupf zu gewähren. Und ihn nicht zu verraten. Was blieb ihr also anderes übrig, als sich nach außen hin genauso zu verhalten, wie sie es immer tat?
    Leon hatte ihr nachgesehen, als sie in der Abenddämmerung das Haus verlassen hatte. Aufrecht wie immer. Mit ihrem lang ausschreitenden federnden Gang war sie auf ihr Auto zugegangen. Und als sie ihm, bevor sie einstieg, einen Blick zuwarf, war darin sowohl eine gewisse Portion Ungeduld wie auch diese nachdenkliche Traurigkeit, mit der sie ihn auch damals angesehen hatte, als sie mit Eva ins Auto gestiegen war und das Schloss und ihn verlassen hatte. Wenn man ihn gefragt hätte, was er jetzt, in diesem Moment, für Sabine empfand, und wenn man ihn gezwungen hätte,

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