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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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erfahren hatte, wirklich herbeiführen wollte.
    Céline Marchand. In den ersten Tagen, nachdem er auf so brutale Weise erfahren hatte, dass seine Eltern, die er liebte und bewunderte, ihm verschwiegen hatten, dass sie ihn adoptiert hatten und dass in Wahrheit eine Frau, die in der Bretagne lebte, seine Mutter war, war es ihm gewesen, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Drei Tage lang hatte er sich vor Wut und Schmerz bis zur Besinnungslosigkeit betrunken. Noch tief versunken in die Trauer um seine Eltern hatte er von ihrem Anwalt erfahren, was sie nie gewagt hatten, ihm zu erzählen. Sein Leben lang hatten diese wunderbaren Menschen, die ihn mit Liebe, Zärtlichkeit und Verständnis erzogen hatten, die ihm ein Elternhaus voller Geborgenheit geschenkt hatten, ihn angelogen. Er war ins Straucheln gekommen. Hatte alles hinwerfen wollen, weggehen. Aus Paris. Aus Frankreich. Aus diesem Leben, das so plötzlich nicht mehr seins gewesen war.
    Wie bewusstlos hatte er drei Tage in seiner Wohnung gelegen, hatte nicht einmal die Tür für Sara aufgemacht. Und hatte sich dann wieder beruhigt. Und einen Plan gemacht. Auch wenn er nicht wusste, ob er die Frau, die seine leibliche Mutter war, tatsächlich kennenlernen wollte, so wollte er sie sich doch auf jeden Fall ansehen. Wollte sie beobachten. Sich ihr nähern. Und dann entscheiden, ob er ihr sagen würde, wer er war. Vielleicht würde er einfach wieder weggehen und sie vergessen. Möglich war das. Denn im Grunde brauchte er sie nicht. Seine Eltern waren Amelie und Philip Racine gewesen, die liebevollsten Eltern, die man sich vorstellen konnte. Er war ihnen auf ewig dankbar für das Leben, das sie ihm geschenkt hatten. Für all ihre Liebe. Nachdem er begriffen hatte, dass sie ihm von der Adoption nur deswegen nichts gesagt hatten, weil sie nicht auch nur den Schatten eines Zweifels an ihrer Zusammengehörigkeit in ihm hatten aufkommen lassen wollen, hatte er ihnen verziehen, dass sie ihm verschwiegen hatten, dass er nicht ihr leiblicher Sohn war. Selbst wenn er Céline Marchand wirklich begegnen würde, selbst wenn er sie vielleicht sogar mögen würde – an seinem tiefen Gefühl für seine verstorbenen Eltern würde das nichts ändern, dessen war er sich inzwischen sicher.
    In den paar Tagen, die er nun schon hier in der Bretagne war, war ihm den Name Céline Marchand schon einige Male begegnet. Dass sie die Chefsekretärin des Unternehmers Leon Menec war, dem eine Fischfangflotte und ein Fischverarbeitungsunternehmen gehörten, hatte er aus den Unterlagen erfahren, die ihm der Anwalt seiner Eltern überreicht hatte. Dass Céline Marchand aber noch eine ganz andere Seite hatte, derentwegen die Menschen hier in der Gegend sie verehrten, das hatte ihn überrascht. Eine Druidin sollte sie sein? Die »Weiße Frau« nannte man sie hier? Von besonderen Kräften war die Rede, wenn die Menschen mit ehrfürchtig gesenkter Stimme von ihr redeten? Paul war sich nicht sicher, was er von diesen Gerüchten halten sollte. Er war Wissenschaftler durch und durch. Zauberkräfte hielt er für Hokuspokus. Druiden akzeptierte er allenfalls als lustige Figuren in den Comics um Asterix und Obelix. Alles andere war für ihn Scharlatanerie. Wollte er wirklich eine Frau kennenlernen, die so etwas betrieb?
    Â»Halt mich fest, Caspar, ich kann das Gleichgewicht nicht halten.«
    Die aufgeregte Mädchenstimme, die vor Vergnügen vibrierte, erregte Pauls Aufmerksamkeit. Tief unter seinem Haus sah er im Gegenlicht zwei Menschen, die sich offensichtlich mit einem Surfbrett abmühten. Die junge Frau versuchte wackelnd das Gleichgewicht zu halten. Sie streckte die Arme weit aus, korrigierte mit dem Oberkörper ihre Haltung, klammert sich am Kopf des Jungen fest, der breitbeinig auf dem Board saß, schrie auf und stürzte ins Wasser, aus dem sie einen Moment später prustend wieder auftauchte.
    Â»Ich hab dir doch gesagt, dass Surfen nicht meins ist.« Sie schnappte nach Luft, und ließ sich von dem blonden Jungen wieder aufs Brett ziehen.
    Â»Sagte sie nach ihrem ersten Versuch. Ich hätte dich für zäher gehalten, Marie.«
    Er zog sie an sich. Küsste sie auf den Mund. Offensichtlich ein sehr verliebtes junges Paar.
    Paul kam sich ein bisschen vor wie ein Spanner, wie er da so von seinem Ausguck herab unbemerkt die beiden jungen Leute beobachtete. Aber etwas war

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