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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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nicht.« Marie hatte das schon bei ihrer ersten Begegnung am Strand gemurmelt. Sie hatte auf das Meer gestarrt, ihr Blick hatte sich in der Weite verloren, und es war da etwas in ihr hochgekrochen, das sich anders anfühlte als der Zorn und die Ungeduld, die sie in sich spürte, wenn sie sich an nichts erinnerte. Da war etwas in ihr, so ein Gefühl des tiefen Zweifels. Des Misstrauens. Sie konnte nichts finden, woran sich dieses Gefühl festmachen ließ. Und es war trotzdem da. Zur tiefen Fremdheit, die sie in sich spürte, kam diese leise, bedrohliche Angst vor dem, was geschehen würde, wenn sie sich irgendwann tatsächlich erinnern würde.
    Â»Okay, heute ist der Tag. Ich will es versuchen.« Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass sie noch nie gesurft hatte – sie war sich sicher, dass es ihr Spaß bringen würde, die Wellen zu besiegen. Vor allem mit diesem Lehrer, auf dessen Flirtversuche sie sich locker einlassen konnte. Denn tatsächlich waren die Begegnungen mit Caspar am Strand in diesen Tagen das Unkomplizierteste auf dieser merkwürdigen Stufe ihres Lebens.
    Caspar klemmte zufrieden sein Board unter den Arm, nahm Marie an der Hand und rannte mit ihr ins Wasser. Gut fühlte sich das an. Ihre Hand in der seinen. Ein Prickeln stieg in ihm auf. Er würde sie einfach nicht mehr loslassen. Egal wer sie war. Egal woher sie kam. Egal wohin sie wollte.
    Â»Erst mal versuchst du, auf dem Brett zu knien.« Marie stellte sich gut an, als sie auf das Board kletterte. Ein bisschen wacklig vielleicht. Aber das gab ihm die Gelegenheit, sie um die Taille zu fassen. Als er ihre kühle Haut berührte, nahm es ihm einen Moment den Atem. Er hörte ihr Lachen. Spürte ihre Aufregung.
    Â»Halt mich fest; ich steh jetzt auf.«
    Â»Nicht so hastig. Erst mal lernst du, das Gleichgewicht im Knien zu halten, dann darfst du aufstehen. Das ist die Regel.«
    Folgsam blieb Marie in der Hocke auf dem Brett. Als Caspar sich hinter sie schwang und breitbeinig an sie heranrutschte, lachte sie vergnügt auf. Sie fühlte seinen muskulösen Körper an sich gedrängt. Seinen Atem in ihrem Nacken. Und es gefiel ihr gar nicht schlecht.
    Â»Wenn wir uns anstrengen, sind wir in zwei, drei Monaten in Amerika.« Caspar paddelt kraftvoll los.
    Marie lachte auf. Amerika? Wieso eigentlich nicht? Fremder als hier würde sie sich dort wahrscheinlich auch nicht fühlen.
    Als sie Caspars Lippen an ihrer Schulter spürte, hielt sie den Atem an. Es fühlte sich gut an. Erregend. Aber auch ein bisschen zu schnell. Wollte sie das? Konnte sie das? Gefühle für diesen Supertypen zu entwickeln, war nicht schwierig. Aber musste sie nicht erst ein Gefühl für sich selbst entwickeln?
    Paul Racine konnte es nicht fassen. Von so einem Haus träumte man normalerweise nur. Oder man sah es in einem Film und wusste, dass man so ein Haus niemals finden würde. Geschweige denn je darin leben. Es war ein verlassenes Leuchtturmhaus, in das er gerade einzog. Ein kleines weißes Haus, gekrönt von einem gläsernen Turm, in dem in früheren Zeiten das Leuchtfeuer gebrannt hatte. Es lag am Ende einer schmalen Landzunge, praktisch direkt über dem Meer. Was für ein unerhörtes Glück, dass die Besitzerin Chantal Miller gerade beschlossen hatte, dass sie nicht mehr allein hier wohnen wollte, und zu ihrer Schwester nach Rennes gezogen war, um dort ihren Lebensabend zu verbringen. Wenn er in den letzten Tagen gezweifelt haben sollte, dass es richtig gewesen war, für diese Dozentenstelle an der Universität von Brest sein Leben in Paris aufzugeben – jetzt war wieder alles im Lot. Das kleine Haus auf der Klippe und der grandiose Blick aufs Meer entschädigten ihn für alles. Hier würde er den Kopf frei bekommen für seine Arbeit über die Menhire. Und vielleicht auch sein Herz öffnen können für das Abenteuer, dieser Frau zu begegnen, die seine Mutter war. Oder eben doch nicht seine Mutter, sondern nur die Frau, die ihn geboren und sofort nach der Geburt weggegeben hatte. Noch immer war ihm nicht ganz klar, ob er sie überhaupt kennenlernen wollte. Aber hier in der Abgeschiedenheit dieses Hauses, an diesem wundervollen Ort, der sich anfühlte, als läge er am Ende der Welt, hier würde er Zeit haben, sich zu überlegen, ob er eine Begegnung mit dieser Fremden, von der er erst nach dem Unfalltod seiner Eltern vor einem halben Jahr

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