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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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der Katastrophe der Helena . Alle im Ort hatten mit Sorge beobachtet, wie der junge Eigner des untergegangenen Schiffes beinahe an seinen Schuldgefühlen zerbrochen war. Grau war er geworden in ganz kurzer Zeit, seine Ehe war zerbrochen, sein Lachen erloschen, sein Blick war dumpf und abweisend geworden. Zwar hatte er den Hinterbliebenen der Seeleute, die mit seinem Schiff im Meer versunken waren, großzügig geholfen. Doch es hatte so ausgesehen, als würde keiner ihm helfen können. Nicht einmal sie, Céline, die ihm als seine Sekretärin näher gewesen war als viele andere, hatte es geschafft, zu ihm durchzudringen. Es hatte ihr fast das Herz gebrochen, wenn sie ihn so verzweifelt an seinem Schreibtisch sitzen sah und sie einfach nichts tun konnte. Dabei hatte sie es in der Hand gehabt. Sie hätte es ihm doch nur sagen müssen. Aber diesen Mut hatte sie nicht gehabt. Und dann war ja auch bald Claire aufgetaucht, die Leon entschlossen an der Hand genommen und zurück ins Leben geführt hatte. Und Leon würde Claire für den Rest seines Lebens dankbar sein.
    Â»Was meinst du? Wird Marie ihr Gedächtnis wiederbekommen?« Claires unvermittelte Frage riss Céline aus ihren Gedanken.
    Marie war das Tagesgespräch in Concarneau. Alle hatten von der Schießerei in Paris gehört, bei der Marie fast gestorben wäre. Und alle hatten erstaunt zugesehen, als Michel seine Tochter zu sich nach Hause holte.
    Â»Ich hab von Fällen gelesen, da erinnern sich die Menschen erst nach vielen Jahren wieder.«
    Â»Michel hofft, dass sie sich nie mehr erinnern wird. Findest du das in Ordnung?«
    Ein paar letzte lange Striche über Claires schönen Rücken.
    Â»So. Fertig, meine Liebe.«
    Claire blieb wie immer noch einen Moment liegen. Sie liebte es, mit geschlossenen Augen der Massage ein wenig nachzuspüren.
    Â»Er kann doch nicht allen Ernstes glauben, dass sie nicht dahinterkommt, wie er sie behandelt hat. Er macht sich doch was vor.«
    Â»Er hat damals sein Kind verloren. Da ist es doch kein Wunder, dass er es wie einen Wink des Schicksals empfindet, dass sie nun bei ihm ist und sich an nichts erinnert.«
    Â»Aber er erinnert sich. Es ist doch nicht fair, ihr nichts zu sagen. Im Gegenteil, ich finde, das ist feige. Er hat einen Fehler gemacht. Er muss dazu stehen.«
    Â»Das kann nur eine Frau sagen, die noch nie einen Fehler gemacht hat.« Céline lächelte. Im Gegensatz zu Claire konnte sie sich sehr gut in Michel einfühlen. Er hatte Monique damals gehen lassen. Ohne um die kleine Marie zu kämpfen. Er hatte einen Teil seines Lebens einfach aufgegeben. Und er hatte all die Jahre darunter gelitten.
    Â»Ein Kind gibt man nicht auf. Er hätte es nicht zulassen dürfen, dass Monique ihm die Kleine weggenommen hat. Er hätte alles tun müssen, um sie zurückzuholen.« Claire war wie immer absolut gnadenlos in ihrem Urteil. »Er hat sie aus seinem Leben gehen lassen. Wie kann er sie jetzt darin festhalten wollen?«
    Während Céline sich die Hände wusch, sah sie ihr Gesicht im Spiegel an. Sahen andere diese tiefe Trauer in ihren Augen auch? Vielleicht hatte Claire ja recht. Vielleicht gab es keine zweite Chance im Leben.
    Â»Du meinst, Fehler, die man einmal gemacht hat, sind nicht zu heilen?«
    Â»Genau das meine ich. Er stiehlt ihr ihr Leben, um seins zu bereichern.«
    Â»Sie ist seine Tochter. Verstehst du nicht, dass er um sie kämpft? Du würdest um Caspar doch genauso kämpfen.«
    Â»Ich? Ich würde Caspar niemals gehen lassen. Ich würde alles tun, um ihn nicht zu verlieren. Ein Kind ist das Wichtigste und Größte, was man in seinem Leben haben kann. Aber natürlich, das kann man nur verstehen, wenn man selbst ein Kind hat.«
    Ja, da hatte sie recht. Nur wenn man selbst ein Kind hat, konnte man den Schmerz verstehen, den Michel empfunden hatte all die Jahre.
    Â»Du hast wahrscheinlich recht. Eine einsame alte Jungfer wie ich hat da nicht mitzureden.«
    Célines Stimme klang leicht. Es gelang ihr sogar ein kleines selbstironisches Lachen. Sollte Claire doch glauben, was sie da sagte. Dass Céline Marchand keine Ahnung hatte davon, wie schmerzhaft es sein konnte, ein Kind zu verlieren.
8
    Der Vollmond hing dunkelgelb und prall an einem sternenlosen Himmel über dem ruhigen Meer. Der kleine Ort lag in nächtlichem Frieden. Nur eine Katze strich an der Hafenmauer entlang, auf der Suche nach

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