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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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selbst, dass Druiden schon lange ausgestorben sind. Aber Céline … Wir denken hier, dass sie vielleicht so was ist wie eine … na ja, wie eine Wiedergeburt. Sie sollten sie mal sehen in ihren weißen Kleidern und mit dem weißen Hund. Sie ist sehr klug. Sie kennt sich mit Pflanzen und Kräutern aus. Und mit den Menschen. Wenn ich ein Problem habe, gehe ich nicht gleich zum Arzt. Zuerst frage ich Céline.«
    Okay. Seine Mutter war also die ortsansässige Druidin. Paul wusste einen Moment lang nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Auf jeden Fall wollte er nichts mehr darüber hören. Und auf jeden Fall war in diesem Moment seine Entscheidung gefallen, dass er keinen Kontakt zu dieser Frau haben wollte. Was sollte er mit einer Verrückten in seinem Leben? Einer Frau, die eigentlich eher in einen Comic zu gehören schien als in die Wirklichkeit seines Wissenschaftlerlebens. Damit wäre also das Thema Céline Marchand für ihn abgeschlossen. Er konnte wahrscheinlich froh sein, dass sie ihn nicht behalten hatte damals. Was hätte er schon von einer kräutersammelnden Heilerin gehabt?
    Â»Aber sie arbeitet doch bei Menec Poissons ? Ich habe gehört, sie sei die Sekretärin des Chefs.«
    Â»Klar tut sie das. Sie muss ja Geld verdienen. Und für Monsieur Menec hat sie ja schon lange gearbeitet, bevor sie ihre Fähigkeiten entdeckte. Sie ist eine sehr gute Sekretärin. Leon Menec hat keine bessere Mitarbeiterin.«
    Die Putzfrau wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Also führte seine Mutter so etwas wie ein Doppelleben. Tagsüber im Büro, nachts bei den Heilkräutern. Wie auch immer, das interessierte ihn nicht mehr. Er würde sich hier einfach auf seine Arbeit konzentrieren. Und sobald es eine Möglichkeit gab, einen Job in Paris zu bekommen, wäre er weg. War doch sowieso ein Blödsinn gewesen hierherzukommen. Weg von seinem guten Leben in Paris. Mit Sara, die ihm sowieso nicht verziehen hatte, dass er ans »Ende der Welt« gegangen war.
    Zufrieden setzte er sich wieder an seinen Computer. Die Sache war entschieden. Seine Zeit hier in Brest würde bald vorbei sein. Er löschte die Datei Céline Marchand aus seinem Computer. So, als könne er die Tatsache, dass hier ganz in der Nähe seine Mutter lebte, damit gleichzeitig aus seinen Gedanken löschen. Als er zum Telefon griff, um Sara von seinem Entschluss zu erzählen, fühlte er sich merkwürdig erleichtert. Er hatte sein Leben wieder im Griff. Keine fremde Mutter würde ihm da noch hineinspielen.
    Â»Du hast dich für die Lüge entschieden, Michel. Das kann ich dir nicht verzeihen. Deswegen verlasse ich dich. Ich kann mein Leben nicht an der Seite eines Mannes verbringen, der nicht zu seiner Schuld stehen will.« Michel las zum wohl tausendsten Mal den Brief, den Monique ihm damals hinterlassen hatte, als sie bei Nacht und Nebel mit Marie aus seinem Leben verschwunden war. Sie hatte recht gehabt. Ja, natürlich hatte sie recht gehabt. Er hatte es nicht anders verdient. Er hatte Schuld auf sich geladen, und die Strafe dafür war gewesen, dass er ein Leben als einsamer Mann hatte führen müssen. So einfach war das gewesen. Wie so oft in seinen schlaflosen Nächten grübelte er über die Möglichkeiten, die er gehabt hätte. Hätte er tun sollen, was sie von ihm verlangte? Aber das hätte Leon ins Gefängnis gebracht. Leon, seinen Freund aus Kindertagen. Den Mann, dem er sein Leben verdankte.
    Â»Gib nicht auf, Michel. Ich hol dich da raus. Du darfst nicht aufgeben, hörst du?«
    Die Höhle in den Klippen, die die beiden Jungen erkundet hatten, war über Michel eingebrochen. Sie hatte ihn verschüttet. Schon war die Luft knapper geworden. Er würde jämmerlich ersticken unter den Sandmassen, die ihn begraben hatten. Aber da war Leons Stimme gewesen. Er hatte sie nur leise gehört. Sie hatte ihn beschworen, nicht aufzugeben. Leon hatte sich, aller Gefahr zum Trotz, selbst verschüttet zu werden, zu ihm durchgegraben. Hatte ihn in dem Moment, als ihm die Sinne endgültig zu schwinden drohten, an seiner Jacke aus dem dunklen Loch ins Freie gezogen. Und ihm damit das Leben gerettet. Denn kurz nachdem sie atemlos und vollkommen verdreckt am Strand gelegen hatten, war der Rest der Höhle in sich zusammengefallen. Nicht auszudenken, wenn er noch darin gesteckt hätte. Michel hatte nie vergessen, dass Leon damals, ohne an die

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