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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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Monster.
    Â»Vielleicht wollte er dich schützen.« Paul konnte sich nicht vorstellen, wieso Michel seine Tochter im Unklaren gelassen hatte über ihr Leben in Paris und vor allem über die Schießerei.
    Â»Vielleicht hatte er Angst, dass du zusammengebrochen wärst, wenn du dich daran erinnert hättest, was wirklich passiert ist?«
    Â»Es ging ihm nicht um mich. Er hat ausschließlich an sich gedacht.«
    Mit stockender Stimme versuchte sie, Paul zu erklären, was Michel Dumont beabsichtigt hatte, als er ihr weiszumachen versuchte, dass sie bei ihm in Concarneau gelebt hatte.
    Â»Er hat nicht um mich gekämpft, als meine Mutter ihn verlassen hat. Ich erinnere mich ganz genau. Ein Feigling sei dieser Mann, hatte sie gesagt. Einer, über den es sich nicht lohne nachzudenken. Und noch weniger, um ihn zu trauern.«
    Â»Und wenn er das jetzt wiedergutmachen wollte? Ja, sicher, mit den total falschen Mitteln offensichtlich, aber vielleicht hat er deinen Gedächtnisverlust als so was wie eine zweite Chance begriffen.«
    Â»Wieso verteidigst du ihn? Du kennst ihn doch gar nicht.«
    Es lag Paul nichts ferner, als diesen Mann zu verteidigen, den er gar nicht kannte. Er versuchte, eine Erklärung für dessen total irrationales Handeln zu finden.
    Â»Das Mieseste ist, dass er es zugelassen hat, dass ich ihn mochte. Er war so lieb zu mir. Er hat sich um mich gekümmert. Hat mir zugehört, wenn ich vor lauter Verzweiflung nicht mehr weiterwusste. Er hat mich getröstet, wie ein Vater sein Kind zu trösten hat.« Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen schossen. Wie gut es sich angefühlt hatte, dass er da war, wenn sie nachts aus ihren Albträumen aufwachte. Sie hatte sich umsorgt und geliebt gefühlt. Und sicher. Egal was noch kommen würde, hatte sie manchmal gedacht, immerhin hatte sie ihn. Diesen wunderbaren Vater mit dem großen Herzen.
    Â»Wieso bin ich nur nicht darauf gekommen? Als ich nach Fotos von uns dreien gesucht habe, war da nur eins, das fast fünfundzwanzig Jahre alt war. Wir sahen aus wie eine unheimlich glückliche Dreierbande, so wie wir in die Kamera gegrinst haben. Aber andere Fotos hatte er nicht. Nicht von mir und nicht von Maman. ›Sie hat es gehasst, fotografiert zu werden‹, war seine Erklärung gewesen. Und ich hab es ihm geglaubt. Wieso auch nicht? Woher hätte ich denn wissen können, dass er lügt?«
    Wie sie so zart und verletzt an den Menhir gelehnt dasaß, rührte Marie Pauls Herz unerwartet heftig. Er wünschte sich, er hätte ihr irgendwie helfen können.
    Â»Wenn ich irgendetwas tun kann …« begann er zaghaft.
    Â»Mehr als mir das Leben zu retten, kannst du wahrscheinlich nicht tun.« Sie versucht ein Grinsen. »Sei froh, dass ich keine Indianerin bin. Ich hab mal gelesen, dass sie den Menschen, der ihnen das Leben gerettet haben, für den Rest seiner Tage mit Dankesbeweisen überschütten. Du würdest mich nie mehr loswerden.« Sie wischte sich mit einem Papiertaschentuch über das Gesicht und stand auf.
    Â»Danke, dass du mir zugehört hast. Muss dir ja alles ziemlich verworren vorkommen.«
    Â»Verworren, ja, und irgendwie auch nicht besonders plausibel. Alles was du über deinen Vater, ich meine über diesen Michel erzählst, klingt nicht besonders nachvollziehbar.«
    Â»Und ich sag dir was, es ist mir egal. Das Kapitel Michel Dumont ist für mich abgeschlossen. Ich hab mein Leben lang keinen Vater gehabt. Jetzt brauch ich auch keinen.«
    Â»Das heißt, du willst so tun, als sei das alles nicht geschehen?«
    Â»Ganz genau.«
    Â»Wenn du dich ein bisschen beruhigt hast, könntest du vielleicht noch mal hierherkommen und in aller Ruhe mit ihm reden. Vielleicht würdest du ja verstehen …«
    Â»Nein. Diese Tür ist zu. War sie schon immer. Und es gibt keinen Grund für mich, sie wieder zu öffnen.«
    Wie entschlossen sie plötzlich wirkte. So als hätte sie ihr Leben total im Griff.
    Â»Weißt du schon, was du jetzt tun wirst?«
    Â»Was soll ich schon tun? Ich werde mein Leben leben. Aber zuallererst werde ich Jean treffen. Er hat sich bestimmt gewundert, wieso ich mich nicht bei ihm gemeldet habe. Ich werde am Flughafen noch einen edlen Armagnac für ihn kaufen – den trinkt er irre gern –, und dann …«
    Â»Marie …« Es war so etwas Trauriges in Pauls Stimme,

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