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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Sadlo
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auch. Nicht jede Nacht. Aber einmal im Jahr, wenn sich der Tag des Untergangs der Helena jährte, verfolgten auch ihn die Schreie der Seeleute, für deren Tod er verantwortlich war. Aber das würde er Michel niemals eingestehen. Er hatte nach dem Untergang des Schiffs alles getan, um die Hinterbliebenen zu entschädigen. Er hatte ihnen die Miete in den Wohnungen erlassen, in denen sie wohnten. Er hatte ihren Kindern die Ausbildung bezahlt. Chantal Miller hatte er sogar den Rest des Preises für das Haus, in das sie gerade mit ihrem Mann eingezogen war, erlassen. Mehr konnte ein Mensch nicht tun, dessen war er sich sicher. Und niemand, weder einer der Hinterbliebenen noch Michel und er, würden etwas davon haben, wenn nach so vielen Jahren die ganze Sache vor Gericht kam und sie beide ins Gefängnis gingen.
    Â»Es dürfte Sühne genug sein, dass man sein Leben lang diese Schuld mit sich herumträgt.«
    Â»Du hast gut reden. Du hast dir ein neues Leben aufgebaut. Du hast dir einfach eine neue junge Frau genommen und mit ihr noch einmal ein Kind bekommen. Aber ich? Ich habe alles verloren.«
    Leon griff nach Michels Hand. Seine Stimme wurde unerwartet warm.
    Â»Ich habe mir immer gewünscht, dass du noch einmal eine Frau findest, mit der du neu anfangen kannst, das weißt du.«
    Wenn Michel es geschafft hätte, Monique und Marie zu vergessen und sich auf eine neue Frau einzulassen, würden sie heute nicht hier sitzen. Da war er sich sicher. Er würde nicht fürchten müssen, dass Michel in einem unüberlegten Moment alles zerstörten könnte, was er sich aufgebaut hatte.
    Â»Es geht mir doch nicht nur um mich. Ich bin ein alter Mann. Ich habe mein Leben gelebt, so gut es ging. Aber da ist Claire. Und vor allem Caspar. Könntest du es wirklich verantworten, sie ins Unglück zu stürzen? Zwei Menschen, die nichts, aber auch gar nichts mit unserem Versagen zu tun haben?«
    Â»Unser Versagen?! Es war dein Versagen, Leon. Du trägst die alleinige Verantwortung. Meine Schuld ist nur, dass ich dich gedeckt habe.«
    Â»Wenn du dich erinnern willst – ich habe dich nicht darum gebeten. Du hast dich aus freien Stücken dafür entschieden, mir zu helfen. Und dafür, mein Freund, werde ich dir bis ans Ende meiner Tage dankbar sein.«
    Â»Du musst zur Polizei gehen und ihnen alles sagen. Du darfst diesen Verbrecher nicht decken.« Monique war fassungslos gewesen über Michels Entschluss, Leon zu helfen. »Er ist ein skrupelloser Mörder, dein sauberer Freund. Es ging ihm um nichts anderes als um seinen Gewinn. Dafür hat er in Kauf genommen, dass zwölf Männer starben. Du hast es in der Hand, dass er zur Verantwortung gezogen wird.«
    Michel hatte noch jedes Wort des entsetzlichen Streits mit Monique im Ohr. Kaum hatte er ihr gestanden, was er über den Unfall der Helena wusste, hatte sie ihm ein Ultimatum gestellt.
    Â»Leon oder ich«, hatte sie gesagt. Es war ganz einfach gewesen. Ein Dazwischen hatte es für sie nicht gegeben.
    Â»Aber es war ein unglückliches Zusammentreffen verschiedenster Umstände. Er hatte nicht voraussehen können, was passieren würde. Er hat doch nicht gewollt, dass Menschen zu Schaden kamen. Dafür kann man ihn doch nicht bestrafen.«
    Â»Das sollen andere entscheiden. Für so etwas gibt es Gerichte, Michel. Auf jeden Fall muss er die Verantwortung übernehmen. Und du auch.«
    Er hatte sich für seine Schwäche verwünscht. Hätte er Monique nur nicht erzählt, was in dieser Nacht auf der Helena wirklich passiert war. Aber sie hatte gespürt, dass etwas an ihm nagte in den Tagen und Wochen nach seiner Rettung. Sie hatte nicht verstanden, wieso er sich nicht darüber freuen konnte, am Leben zu sein. Sie hatte sich Sorgen gemacht um seine Seele. Und deswegen nicht aufgehört zu fragen, was ihn so bedrückte. Und eines Nachts, als die Schreie wieder in seinem Kopf dröhnten, hatte er es nicht mehr ausgehalten. Er hatte ihr alles gestanden. Und in der Sekunde, in der er seine Last auf ihr abgeladen hatte, hatte er gewusst, dass sie ihn nur unter einer Bedingung stützen würde: unter der Bedingung, dass er zur Polizei ging und seinen besten Freund verriet. Der ihm außerdem schon einmal das Leben gerettet hatte. Was war er nur für ein Mensch, der seine große Liebe ziehen ließ, um einen Mann zu retten, der für den Tod von zwölf Männern

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