Wilde Wellen
der Haustür saà und wütend mit der Pfote am Holz kratzte.
»Da kannst du nicht rein, alter Junge. Es ist abgeschlossen. Und ich hab keinen Schlüssel. Komm, Merlin, lass uns nach Hause gehen.«
Doch der Hund folgte ihm nicht. Er lief jetzt ums Haus herum. Stellte sich an einem der kleinen Fenster auf die Hinterbeine, kratzte an der Scheibe.
»Du denkst, sie ist da drin? Tut mir leid. Sie ist nicht mehr da.« Er wusste nicht, wie er den Hund trösten sollte. Er strich ihm über die Flanke, kraulte seinen Nacken.
»Komm, gehen wir.« Der Hund wollte sich nicht beruhigen lassen. Als Paul ihm die Leine anlegte, und ihn mit sich ziehen wollte, stemmte er sich mit aller Kraft dagegen. Es war deutlich, er wollte nicht von dem Haus weg. SchlieÃlich gelang es Paul, ihn mit sich zu ziehen. Aber der Heimweg wurde anstrengend. Denn der Hund wollte nicht aufhören, in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen, hin zu dem Haus, in dem er mit Céline, seiner Herrin, so viele Jahre gelebt hatte.
7
Claire bürstete sich gerade ihre Haare, als sie den Knall hörte. Erschrocken fuhr sie zusammen. Da, noch ein Knall. Es klang wie eine weit entfernte Explosion. Claire sprang auf, ging zum Fenster. Und sie sah den Feuerschein am Horizont. Als Leon ins Zimmer kam, sah sie ihn fragend an.
»Glaubst du, dieser Schein da am Horizont â das ist ein Feuer?«
Leon erkannte sofort, was da brennen musste.
»Da ist in Richtung von Célines Haus.« Er griff zum Telefon, um die Polizei zu alarmieren. Und erfuhr, dass er nicht der Erste war, der anrief. Aber auch, dass die Feuerwehr nichts mehr tun konnte. Célines uralter Gasherd musste explodiert sein. Die Feuerwehr konnte nichts mehr retten. Als sie dort ankam, brannte das Haus schon lichterloh.
»Célines Haus.« Claires Gesicht verlor in einer Sekunde seine Farbe. Sie musste sich setzen, sonst wäre sie ohnmächtig geworden. Fassungslos sah sie Leon an. Erst Céline, dann ihr Haus.
»Es wird überhaupt nichts von ihr übrig bleiben. Nicht einmal ein Stäubchen Asche.«
Sie schluchzte auf. Und lieà sich von Leon in die Arme nehmen.
»Céline hat vielen Menschen Gutes getan ⦠Keiner hier wird sie vergessen.« Er starrte auf den Feuerschein, der immer höher in die Nacht leuchtete. »Ich hoffe nur, dass sie den Mann finden, der sie überfahren hat. Wenigstens soll er seine gerechte Strafe bekommen.«
Er schenkte ein Glas von Célines Trockenbeerenschnaps ein. Reichte es Claire, die nachdenklich in die klare, bernsteinfarbene Flüssigkeit sah.
»Ich bin so froh, dass ich Caspar habe. Da lebt wenigstens ein bisschen etwas von mir weiter.« Sie klang sehr kindlich in ihrer Trauer. »Ich hab Céline immer wieder gesagt, wie ungerecht ich es finde, dass sie keine Kinder bekommen konnte. Ich weià nicht, ob sie eine gute Mutter geworden wäre, aber das ist egal. Jedenfalls hätte sie ihre Gene weitergegeben. Ach Leon, wieso ist das alles so traurig?« Sie lieà sich von Leon festhalten. Spürte seinen schnellen Herzschlag. »Oder denkst du, sie wollte keine Kinder?«
»Ich bin mir sicher, dass sie eins auf keinen Fall wollte: ein Kind allein aufziehen. Und da es keinen Mann in ihrem Leben gab â¦Â«
Claire sah zu ihm auf.
»Ja. Das ist auch so schade. Sie war so eine schöne, warmherzige Frau. Wieso hat sie keinen Mann gefunden?«
Sie wusste, dass sie keine Antwort bekommen würde. Sie wusste, dass Leon nicht sagen würde, dass Céline einmal sehr verliebt gewesen war. Dass aber diese Liebe keine Chance gehabt hatte, weil der Mann verheiratet war.
Im Grunde war sie ja selbst schuld. Es war ein kleiner gemeiner Gedanke, den Claire da in sich zulieÃ. Ich an ihrer Stelle hätte mich nicht dadurch abschrecken lassen, dass der Mann verheiratet war. Man muss um sein Glück kämpfen. Ja, hätte Céline die gleiche Power gehabt wie Claire, hätte sie nicht so groÃe Skrupel gehabt, eine Ehe zu zerstören â sie hätte vielleicht sogar eine Chance gehabt, mit ihrer groÃen Liebe glücklich zu werden. Sie hätte kämpfen müssen um ihr Glück. Doch Gott sei Dank hatte sie es nicht getan. Claire lächelte bei dem Gedanken. Denn wenn Céline den Mann ihrer Träume bekommen hätte, hätte Claire keine Chance gehabt, Madame Menec zu werden und dem Besitzer der Firma Menec Poisson den einzigen Sohn und
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