Wilde Wellen
Nachfolger zu gebären.
»Sagen Sie nicht, Sie haben noch nie etwas von Florence LaRue gehört?« Natürlich war Paul der Name LaRue ein Begriff. Kaum eine groÃe Baustelle hatte es im letzten Jahrzehnt in Paris gegeben, an der nicht der Name François LaRue prangte. Der Bauunternehmer hatte es geschafft, sich die meisten der lukrativen Aufträge, die die Stadt und das Land vergaben, unter den Nagel zu reiÃen. Es war von Vetternwirtschaft gemunkelt worden, hin und wieder auch von Schmiergeld, das in groÃen Mengen geflossen sein sollte, doch nachzuweisen war François LaRue bis zu seinem Tod vor zwei Jahren nichts gewesen. Der steinreiche Mann hatte es zum geachteten Mitglied der Pariser Gesellschaft gebracht; seine Freunde waren in der Politik genauso zu finden gewesen wie im Showbusiness und in der Kunst. Als er die schöne Vietnamesin Florence geheiratet hatte, war das Foto des Glamourpaars nicht nur auf den Titelseiten der bunten Blätter zu sehen gewesen, sogar die altehrwürdige Le Monde hatte eine Notiz über die Hochzeit des Jahres gebracht. »François LaRue war seit Jahren ein sehr spendabler Sponsor unserer Universität. Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass wir ohne seine groÃzügige Unterstützung den Neubau nicht zustande bekommen hätten.« Paul wusste nicht, was sein Dekan von ihm wollte. Dass er ihn in sein Büro gebeten hätte, um eine Hymne auf seinen wichtigsten Sponsor zu singen, konnte er sich eigentlich nicht vorstellen.
»Madame LaRue will Sie in Paris sehen. Ãbermorgen werden Sie von ihr zum Abendessen erwartet. In ihrer Stadtvilla. Ihr Chauffeur wird sie am Flughafen abholen.«
»Ãbermorgen? Tut mir leid, das geht nicht. Da halte ich mein Abendseminar für die Studienanfänger«
»Ich habe schon Bescheid gegeben, dass es ausfällt.« Er schob Paul ein Flugticket über den Schreibtisch. »Sie fliegen um sechzehn Uhr dreiÃig, und am nächsten Morgen nehmen Sie den ersten Flieger zurück. Da muss Ihre Vorlesung nicht auch noch ausfallen.« Paul wusste nicht, was hier vor sich ging. Wie kam sein Dekan dazu, ihn so vor vollendete Tatsachen zu stellen?
»Was habe ich mit Madame LaRue zu schaffen? Ich kenne sie überhaupt nicht.«
»Aber sie kennt Sie. Sie hat mir signalisiert, dass Sie sehr an Ihrer Arbeit interessiert ist und dass sie sich mit Ihnen unterhalten will. Und Madame LaRues Wunsch ist mir Befehl.«
Pauls Irritation wuchs. Sponsoren darf man nicht verärgern. Zu schnell könnte der Geldfluss versiegen. Das war klar. Aber musste man nach ihrer Pfeife tanzen? Alles stehen und liegen lassen, wenn sie riefen? Dekan Patou stand auf. Für ihn war die Besprechung mit Paul Racine beendet. »Ich wünsche Ihnen einen guten Flug. Seien Sie sicher, Sie werden einen interessanten Abend mit der schönen Florence verbringen.«
»Ich unterhalte mich gern mal mit Madame LaRue. Wir können Sie doch zum Sommerfest der Uni einladen. Oder â¦Â«
»Wir richten uns nach den Plänen von Madame LaRue und nicht umgekehrt. Das haben wir immer so gehalten, Paul.« Der Dekan hatte keine Lust mehr, mit Paul über Florence LaRue zu reden. Es gab da auch nichts zu reden. Sie rief, und man folgte dem Ruf. Es war ganz einfach. Und es hatte seiner Uni in den letzten Jahren sehr geholfen, diese Beziehung ganz pragmatisch zu sehen. Er entlieà Paul mit dem Wunsch, sofort nach Pauls Rückkehr über den Abend mit der Sponsorin unterrichtet zu werden. Paul begriff, dass es keinen Sinn hatte, seinem Ãrger über dieses Gehabe noch Ausdruck zu verleihen. Das Einfachste war, nach Paris zu fliegen, die fordernde Sponsorin zu treffen, einen Abend mit sicher gutem Essen und möglicherweise banalem Smalltalk zu verbringen und das Ganze dann einfach so schnell wie möglich zu den Akten zu legen.
Sara konnte seine schlechte Laune nicht verstehen.
»Du triffst Florence LaRue? Wow, das ist ja irre.« Florence war nach dem Tod ihres Mannes zu einer schillernden Gestalt der Pariser Gesellschaft geworden. Keine wichtige Ausstellungseröffnung, die sie durch ihre Anwesenheit nicht zum Glänzen brachte, keine Charity-Veranstaltung, die durch ihr Erscheinen nicht plötzlich an Wichtigkeit gewann, keine Filmpremiere, die sie nicht durch ihre geheimnisvolle Schönheit veredelte. Alles, was in Paris Rang und Namen hatte, stand Schlange, um eine Einladung zu den Salon-Gesprächen
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