Wilde Wellen
Moment Wichtigeres zu besprechen.«
»Na ja, ich vermute, das hat sein Leben damals ganz schön durcheinandergebracht. Ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung, wie ein Kapitän das überhaupt verkraften kann, wenn sein Schiff mit der ganzen Mannschaft untergeht und er als Einziger überlebt.«
Der Boden unter Maries FüÃen schien zu wanken. Was für eine ungeheuerliche Geschichte erzählte ihr Paul da?
»Michel ist Koch. Sternekoch. Er hat nichts mit diesem Schiff zu tun.«
Sie wusste, dass er die Wahrheit sagte. Sie wusste es sofort. Michel hatte ihr wieder nicht alles gesagt. Aber wieso nicht? Wieso hatte er ihr nicht von dieser fürchterlichen Katastrophe erzählt?
»Ihr lügt und lügt und lügt. Wieso tut ihr so was? Seid ihr wirklich alle solche Feiglinge, dass ihr nicht den Mut habt, zu dem zu stehen, was ihr tut?«
Sie drehte sich um, wollte zurück aufs Schiff. Einfach nur ihre Sachen holen und endgültig abhauen. Paul hielt sie am Arm fest. Er sah ihr in die Augen.
»Ich hätte dir von Sara erzählen müssen, du hast ja recht. Aber, verdammt, es war irgendwie nie der richtige Zeitpunkt. In Paris warst du so furchtbar traurig wegen Jean. Und als du plötzlich hier warst ⦠Ich war einfach nur froh, dich zu sehen. Hätte ich in dem Moment sagen sollen: Schön, dass du gekommen bist, aber da gibt es noch eine Frau in meinem Leben?«
»Ja!«, sagte sie einfach. »Das hättest du tun sollen. Und ich hätte die Wahl gehabt, zu bleiben oder zu gehen.«
Verstand sie denn nicht, dass er das nicht gekonnt hatte? Nicht weil er Angst gehabt hatte, dass Marie gleich wieder gegangen wäre, wenn sie von Sara erfahren hätte. Er hatte sie schlicht und einfach ausgeblendet. In dem Moment, als Marie zu ihm gekommen war, hatte Sara aufgehört zu existieren. Er hatte nicht mehr an sie gedacht. Bis zu dem Moment, in dem sie in seinem Büro aufgetaucht war.
»Liebst du sie?« Marie hatte das Gefühl eines Déja-vu. Hatte sie nicht vor ein paar Stunden ihren Vater genau dasselbe gefragt? Paul wollte den Kopf schütteln. Und fühlte sich in diesem Moment wirklich wie ein Lügner. Er konnte doch nicht sagen, dass er Sara nicht liebte. Sie war seine Freundin, sie waren seit einem Jahr zusammen. Sie hatten wunderschöne Tage miteinander verbracht. Und Nächte.
»Bis ich dich getroffen habe ⦠ja, ich glaube schon, dass ich sie geliebt habe.« Wie gruselig das klang. Unentschieden. Als wolle er sich um eine klare Aussage drücken. Marie sagte denn auch nichts. Wartete nur ab.
»Wenn du das wissen willst â ich hab ihr nichts von uns erzählt.« Er hatte Sara betrogen. Eigentlich von dem Moment an, in dem er Marie zum ersten Mal gesehen hatte. Es war ihm nicht klar gewesen, aber dieser Moment, in dem er versucht hatte zu verhindern, dass sie starb â das musste der Moment gewesen sein, als er sich in sie verliebt hatte.
»Lügt ihr, weil ihr feige seid? Oder weil ihr nicht anders könnt?« Plötzlich hatte Marie alles satt. Es fühlte sich an, als gäbe es um sie herum nichts anderes als Lügen. Und sie war mittendrin. Denn was machte sie eigentlich mit Thomas? Dem sie eine Mail geschrieben hatte, dass sie nochmals in die Bretagne fahren müsste, um mit ihrem Vater zu reden? Dabei war sie als Allererstes mit Paul im Bett gelandet.
»Es war blöd von mir. Es ist einfach alles so rasend schnell gegangen. Ich war total überrumpelt von dem, was du mit mir gemacht hast. Ich werde Sara alles sagen. Wir werden uns trennen.«
»Und dann?«
Paul war erleichtert. Da war ein kleines Lächeln in Maries Augen. Ein Lächeln, das Hoffnung in ihm aufkeimen lieÃ.
»Und dann fangen wir nochmals bei null an.«
Er wollte sie an sich ziehen, wollte sie küssen, wollte, dass alles wieder gut wäre zwischen ihnen.
»Da bin ich, Marie.«
Caspar sprang aus blauen VW -Bus. Wer war dieser Typ? Was hatte er mit Marie zu tun?
»Jetzt wird gegessen. He, das ist ja Merlin.« Er streichelte den Kopf des Hundes.
»Na, Alter, wie gehtâs dir? Bist du sehr traurig?« Der Hund schmiegte sich an Caspars Beine. Es war deutlich, dass er den Jungen kannte.
»Kann mir mal einer erklären, was hier los ist?«
»Das ist Paul Racine. Er ⦠Er hat Céline gefunden. Und er war der Einzige, von dem sich Merlin beruhigen lieÃ.«
»Und deswegen hab
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