Wilder als Hass, süsser als Liebe
Stimme von einer Ironie, die er zu delikater Schärfe perfektioniert hatte.
»Wie du eben schon gesagt hast: Da wir unsere unpassende Lust aufeinander eingestanden haben, ist es ganz wunderbar einfach, damit zurechtzukommen. Haben wir nicht unglaubliches Glückt«
Im ersten Moment verstand Juliet nicht. Doch dann überkam sie eine Welle gewaltiger Empörung, denn sie begriff, daß seine Liebkosungen nichts weiter als ein absichtliches Necken gewesen waren, um ihr zu zeigen, wie frustrierend und schwierig ihre Situation wirklich war. Wenn er ihr etwas näher gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich eine Faust gegen sein perfekt gestaltetes Kinn
gerammt - lan hatte immer gemeint, für ein Mädchen könnte sie sich gut prügeln.
Diesem Impuls jedoch folgte sogleich die Erkenntnis, daß ROSS
ihr genau das gab, was sie angeblich gewollt hatte: Zurückhaltung, Distanz. Schließlich war sie es gewesen, die die Grenzen in ihrer merkwürdigen Beziehung gesetzt hatte, genauso allerdings, wie auch sie den ersten Vorstoß ihrer Lust gewagt hatte.
Hilflos begann sie zu lachen. »Typisch für dich, dein Verhalten als Gentleman in eine Waffe zu verwandeln, ROSS. Also gut, du hast mir deinen Standpunkt verdeutlicht, wenn auch auf eine ziemlich gemeine Art.«
Sie stand auf und klopfte sich den Staub und den Sand aus den Gewändern. »Die Bemerkung, jetzt würde alles ganz leicht werden, war wahrscheinlich eine meiner dümmeren.« Sie bückte sich nach ihrem Mantel und schüttelte ihn mit einem kraftvollen Schwung aus. »Ich denke trotzdem noch, daß es eine Verbesserung ist, die … die Feuersäule zwischen uns anzuerkennen.«
»Eine Verbesserung, o ja, obwohl ich nichts Glückliches an unserer Lage finden kann«, sagte ROSS bedauernd. »Ich denke, jetzt muß ich mich entschuldigen. Du hast recht, es war ziemlich gemein, dir auf diese Art meine Meinung klarzumachen. Wenn es dich irgendwie tröstet: Damit aufzuhören war mindestens genauso grausam.«
»Zumindest hast du es geschafft, nicht den Kopf zu verlieren, im Gegensatz zu mir. Und dafür muß ich dir danken.« Nun zog sie ihren Schleier herunter und schüttelte auch diesen aus. »Da wir endlich damit fertig sind, unsere Nerven zu strapazieren, könnten wir eigentlich zum Lager zurückkehren.«
Bevor sie sich den Tagelmoust wieder feststecken konnte, legte ihr ROSS einen Arm um die Schultern und zog sie an sich, um ihr einen herzhaften Kuß auf die Wange zu
drücken. »Habe ich schon erwähnt, daß du die bewun-dernswerteste, nervenaufreibendste Frau bist, die ich je kennengelernt habe?«
»Während du, o Gentleman, einen Heiligen in einen Ge-waltverbrecher verwandeln kannst - und ich bin noch nicht mal heilig.«
»Ich denke, heilig zu sein ist langweilig, und das kann man von dir nicht behaupten«, sagte er amüsiert.
Dann machten sie sich in angenehmem Schweigen auf den Weg zurück ins Lager. Doch nachdem sie eine Weile durch die stillen Dünen gewandert waren, merkte Juliet, wie ihr Wohlgefühl verebbte und durch ein ängstliches Frösteln ersetzt wurde. Was würde die Zukunft noch bringen?
Schließlich erkannte sie, daß es nicht die körperliche Lust war, über die sie sich Sorgen zu machen brauchte. Der Sandsturm hatte etwas weit Gefährlicheres hervorgebracht: eine emotionale Nähe, die verführerischer als alle Küsse war.
Kapitel 15
DIE LETZTE ETAPPE ihrer Reise gestaltete sich recht lebhaft, denn ROSS’ Identität war nun alles andere als ein Geheimnis. Die Geschichte vom Buskaschi und seiner Mission in Buchara war den Reisenden vorausgeeilt, und als sie den breiten Oxus-Fluß überquert und durch bevölkertes Gebiet zogen, kamen die Leute von weit her, um sich den Ferengi anzusehen. Die usbekischen und turkmenischen Besucher waren sehr neugierig, und viele wollten ROSS’ blondes Haar berühren.
Allerdings waren nicht alle, die kamen, freundlich gesinnt. Die letzte Nacht, bevor die Karawane Buchara erreichen sollte, lagerte sie in der Karawanserei von Karakul. Als ROSS und seine Gefährten ihre abendliche Mahlzeit einnahmen, kam ein abgerissener, rattengesichtiger Usbeke über den Hof zu ihnen, setzte sich und starrte sie an.
Saleh, der dachte, der Mann hätte Hunger, sprach ihn an. »Willst du uns die Ehre bereiten, unser karges Mahl mit uns zu teilen?«
Der Besucher spuckte aus. »Ich werde mich nicht entwürdigen, Brot und Salz mit einem Ferengi-Spion und seinen Kötern zu teilen. Ich bin nur hier, weil es wohl die letzte Möglichkeit ist, mir
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