Wilder als Hass, süsser als Liebe
haben, denn die meisten Reisenden hielten Abstand zu ROSS. Einige taten es unauffällig, während andere vor ihm zurückscheuten, als hätte er die Pest am Hals. Bei dem Ruf des Emirs für seine willkürliche Brutalität, konnte ROSS
es ihnen nicht einmal verdenken.
Dennoch verstrich der erste Teil der Tagesreise ereignislos. Gegen Mittag hatten sie die Wüste hinter sich gelassen und ritten eine schattige, mit Pappeln gesäumte Straße entlang. Das Land war absolut flach, und fruchtbare Obstplantagen und Felder erstreckten sich, soweit das Augen sehen konnte. Nach der Kargheit der Karakum erschien das Land sowohl reich als auch bevölkert, denn auf der Straße floß ein steter Strom Verkehr in beide Richtungen, wobei schwer bela-denen Ponys mit gelangweilten Eseln und wackeligen Karren wetteiferten.
Sie hatten das Dorf Shahr Islam passiert und waren nun nur noch sechs Meilen von Buchara entfernt, als ROSS eine große Staubwolke weit vor ihnen ausmachte. Da es ungewöhnlich war, in der Mittagshitze schnell zu reiten, wandte er sich an Murad, der die besten Augen von ihnen besaß. »Kannst du ausmachen, was für eine Gruppe da auf uns zukommt?«
Der Perser beschattete seine Augen und blinzelte im gleißenden Sonnenschein. »Drei Männer. Die Kleidung zeichnet sie als königliche Kämmerer aus. Und zwei haben Körbe bei sich.«
ROSS’ Muskeln spannten sich an. Bis zu diesem Zeitpunkt war es immer noch möglich gewesen, umzukehren, doch nun gab es kein Zurück mehr. Wenn die Männer in der Ferne wirklich königliche Kämmerer waren und seinetwegen kamen, dann gab es eine winzige, aber sehr reale Möglichkeit, daß er in der nächsten halben Stunde getötet wurde. ROSS zog das allerdings kaum in Betracht, denn selbst wenn die Kämmerer feindselig waren, was sie nicht unbedingt sein mußten, dann würden sie ihn eher gefangennehmen, als ihn auf der Stelle zu erledigen.
Was hatte der Usbeke gesagt, würde in den Körben sein?
Bandagen, Ketten und Messer? Wenn er jemals seine englische Kaltblütigkeit gebraucht hatte, dann jetzt, denn es bedurfte einer ganz bestimmten Art von Mut, stoisch ruhig zu bleiben, während man darauf wartete, daß das Ende gekommen war. Im großen und ganzen hätte ROSS es vorgezogen, von plündernden Turkmenen überfallen zu werden, doch seine Stimme blieb gelassen, als er nun sagte: »Ihr wißt alle, was ihr zu tun habt. Also tut es jetzt.«
Seine Gefährten zügelten ihre Reittiere und mischten sich unter den Rest der Karawane. Alle warfen mitfühlende Blicke auf ROSS, doch keiner sagte etwas, obwohl die Luft vor Spannung vibrierte.
ROSS ritt allein und in europäischer Kleidung: Er war nicht zu verfehlen, und die Reiter kamen direkt auf ihn zu galoppiert. Vor ihm zügelten sie ihre Pferde heftig, und der Anführer, der eine reichgemusterte rote Seidenrobe trug, verkündete: »Ich bin der Großkämmerer des Emir. Seid Ihr der englische Lord Kilburn?«
ROSS zügelte sein Kamel und neigte respektvoll den Kopf. »Das bin ich, o Diener des großen und mächtigen Königs, dem Nachfolger des Propheten.«
Der Kämmerer zeigte ihm ein breites Grinsen, das sein lückenhaftes Gebiß enthüllte. »Nasrullah Bahadur, der König der Könige und Anführer der Gläubigen, heißt Euch willkommen. Als ein Beweis seines Wunsches, daß Frieden unter unseren großartigen Ländern herrsche, lädt er Euch ein, während Eure s Aufenthalts in Buchara sein Gast zu sein.« Der Mann machte eine Geste zu seinen Männern, die die Körbe öffneten und eine reiche Auswahl an Nahrungsmitteln hervorholten, die frische Früchte, gebratenes Pferdefleisch und verschiedene Teekrüge einschlössen.
Es war die willkommenste Enttäuschung seiner Erwartungen, die ROSS je erfahren hatte. Einen erleichterten Aufseufzer unterdrückend, sagte ROSS formell: »Der Emir tut einem unbedeutenden Reisenden eine große Ehre an.«
Der nachdenkliche Blick des Kämmerers glitt von ROSS über die Karawane, die langsam zum Halten gekommen war, weil alle Mitglieder die Szene beobachten wollten. »Habt Ihr keine Sklaven, Lord Kilburn?«
ROSS traf eine schnelle Entscheidung. Obwohl die Einladung des Emirs keine Garantie für grenzenlose, königliche Gunst war, würde sein Kopf zumindest im Augenblick auf seinen Schultern bleiben. Es war nun Zeit, die Gruppe zu teilen, wie sie es geplant hatten, obwohl er den Gedanken immer noch verabscheute, daß Juliet bei ihm war und dadurch den gleichen Gefahren gegenübertreten mußte wie er.
»Ich
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