Wilder als Hass, süsser als Liebe
geschehen.«
»So soll es geschehen«, wiederholte Alladah kummervoll.
Das Oberhaupt der Festung von Serevan schritt die Mauern ab und durchmaß die Ebene unter sich mit scharfen, wachsamen Blicken, als der junge Schafhirte mit einer Nachricht eintraf, die er für wichtig hielt.
Nach einer tiefen Verbeugung meldete der Junge: »Gu-1-i Sahari, heute morgen sah ich drei Reisende, die sich auf der Bir-Bala-Straße nach Osten bewegten. Sie ziehen allein, nicht als Teil einer Karawane.«
»Was für Narren, so schutzlos durch dieses Land zu reiten«, lautete die gleichmütige Antwort. »Und noch dümmer, sich so nah an der Grenze zu bewegen.«
»Ihr sprecht wahr, Gul-i Sahari«, stimmte der Hirte zu. »Aber da ist ein Ferengi, ein Europäer, bei ihnen. Zweifellos ist es seine Dummheit, die sie anführt.«
»Weißt du, wo genau sie sich aufhalten?«
»Inzwischen müßten sie sich dem kleinen Salzsee nä-
hern«, antwortete der Hirte. »Heute morgen hörte ich von einem Freund meines Vetters, daß sein Onkel gestern eine Bande von Turkmenen ausgemacht hat.«
Das Oberhaupt runzelte die Stirn und entließ dann den Hirten mit einer Silbermünze, auf die der Junge gehofft hatte. Einige Minuten lang beobachtete Gul-i Sahari gedankenverloren den Horizont. Da war also ein Ferengi -ein unwissender Ferengi - auf der Bir-Bala-Straße. Es mußte etwas unternommen werden.
Als das Terrain rauher wurde, erhöhte ROSS seine Wachsamkeit, denn nun würde es Räubern noch leichter sein, gefährlich nah an sie heranzukommen. Obwohl er kaum glaubte, daß sich in dieser Gegend Turkmenen aufhielten, denn aufgrund der Armut schien dieses Grenzgebiet es kaum wert zu sein, daß Banditen ihre Zeit hier vergeudeten. Er warf einen Blick auf die kargen Berge, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Pfad, der nicht aussah, als würde er oft benutzt. »Murad, wie weit ist es bis zum nächsten Dorf?«
»Vielleicht zwei Stunden, Kilburn«, antwortete der junge Perser voller Unbehagen. »Wenn das die richtige Straße ist. Der Winter ist hart gewesen, und die Berge sehen nicht mehr wie vorher aus.«
ROSS interpretierte die Bemerkung so, daß sie sich mal wieder verirrt hatten, und stöhnte laut auf. Er dachte an Murads Beteuerungen in Teheran, jeden Fels und jeden Busch im östlichen Persien zu kennen. Wenn ROSS nicht selbst ein scharfes Auge auf Landkarte und Kompaß geworfen hätte, wären sie inzwischen in Bagdad gelandet.
»Vielleicht sollten wir auf unseren Spuren zurückreiten, bis die Berge wieder vertraut aussehen«, bemerkte er trocken.
Murad warf einen Blick über seine Schulter zurück und zeigte seine Beleidigung über ROSS’ mangelndes Vertrauen deutlich.
Doch plötzlich starrte er an ROSS vorbei, und seine Miene verzog sich zu einem Ausdruck echter Angst.
»Banditen!« rief er. »Reitet um euer Leben!«
ROSS und Alladah drehten sich ebenfalls in ihren Sätteln um und zählten gut ein halbes Dutzend Reiter in traditioneller turkmenischer Kleidung, die etwa eine Viertelmeile entfernt um eine Biegung herumgeritten waren. Sobald die Turkmenen bemerkten, daß sie entdeckt waren, trieben sie ihre Pferde an und stießen wilde Schreie aus. Einer von ihnen feuerte einen Schuß ab.
»Verdammt!« fluchte ROSS. »Vorwärts!«
Die drei Männer trieben ihre Pferde in vollem Galopp voran, und ROSS betete im stillen, daß der Pfad nicht einfach hinter dem nächsten Felsen aufhören würde. Auf einer freien Fläche sollten sie in der Lage sein, ihre Verfolgern davonzureiten, denn sie besaßen eindeutig die besseren Pferde. Turkmenische Pferde waren zäh und ausdauernd, aber sie waren kleiner, und der monatelange, karge Winter hatte bestimmt an ihren Kräften gezehrt. Wenn Schnelligkeit allein nicht ausreichte, so hatte ROSS
immer noch sein Gewehr, obwohl er es vorzog, sowohl aus menschlichen als auch aus praktischen Gründen, niemanden zu erschießen.
Eine ganze Weile sah es so aus, als würden sie sich retten können, denn der Abstand zwischen den beiden Gruppen vergrößerte sich langsam. Doch dann trat ROSS’ Pferd in das Eingangsloch einer verborgenen Tierhöhle. Das Pferd strauchelte, stürzte mit einem schrillen Wiehern zu Boden und riß das Packpferd mit sich. Mit einer blitzschnellen Reaktion, die sich in dreißig Jahren Reit-erfahrung entwickelt hatte, stieß ROSS sich aus dem Sattel ab und rollte zur Seite, um nicht unter den stürzenden Pferden eingequetscht zu werden.
In Sekundenbruchteilen geschah alles zugleich.
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