Wilder als Hass, süsser als Liebe
gewöhnlich - vielleicht kamen sie von einem Grenzfort und dienten dem Schah. ROSS
spürte keine derartige Feindlichkeit, wie sie von den Turkmenen ausgegangen war, doch sie wirkten auch nicht besonders freundlich. Arn wenigsten der Targi, der selbst durch die verhüllenden Lagen seines Schleiers noch eine bedrohliche Ausstrahlung besaß.
Dezente Anzeichen von Ehrerbietung innerhalb der Gruppe verrieten ROSS, daß der Targi der Anführer war. Also sagte ROSS
in Tamahak, der Sprache der Tüaregs: »Dafür, daß Ihr einen demutsvollen Reisenden aus den Händen der Turkmenen gerettet habt, gebührt Euch die tiefste Dankbarkeit meines Herzens.«
Das plötzliche Erstarren des Targi ließ vermuten, daß er überrascht war, seine eigene Sprache zu hören, doch natürlich machte es der Schleier unmöglich, etwas aus seiner Miene zu lesen. Nach einem kurzen Augenblick antwortete er in fließendem Französisch: »Ihr Tamahak ist gut, Monsieur, aber ich ziehe es vor, mich in Französisch zu unterhalten, sofern Sie es beherrschen.«
Der verschleierte Mann hatte kaum mehr als geflüstert, und es war ROSS unmöglich, aus diesem tonlosen Geräusch abzuleiten, ob er alt oder jung war. Mit kühler Beiläufigkeit lud er sein Gewehr, einen höchst modernen britischen Hinterlader, nach und legte es lässig über den Sattel. Obwohl die Waffe nicht auf ihn zielte, war es dennoch unmißverständlich, daß sie durchaus schnell in seine Richtung abgefeuert werden konnte, falls es nötig war.
»Zwei andere Männern waren vorhin bei Ihnen. Wo sind die?«
ROSS glaubte kaum, daß es ihm nützen würde, wenn er schwieg.
»Sie ritten weiter, als mein Pferd stürzte.«
Der Targi machte eine knappe Geste, und zwei seiner Männer wendeten ihre Pferde und stoben in die Richtung davon, in die ROSS’ Diener geflüchtet waren. Mit unverhüllter Ironie bemerkte er anschließend: »Sie sollten sich Ihre Leute besser auswählen, Monsieur. Ihre Loyalität läßt stark zu wünschen übrig.«
»Ein Pferd, das doppelte Last trägt, kann den Turkmenen nicht entkommen. Es liegt keine Weisheit in einem unsinnigen Opfer.«
»Sie sind allzu vernünftig, Monsieur.« Desinteressiert stieg der Targi ab und ging zu ROSS’ verwundetem Pferd hinüber, das schwer atmend auf der Seite lag, die Augen glasig vor Schmerz.
Nach intensiver Untersuchung des gebrochenen Beines hob der Mann unbewegt die Waffe, stellte den Lauf gegen den Schädel des Pferdes und drückte ab. Als der Schuß die Stille zerriß, zuckten die Glieder des Pferdes krampfartig, dann lag es still.
ROSS wußte, daß es notwendig war, das Tier zu erlösen, und er hätte es selbst getan, wenn er die Gelegenheit dazu gehabt hätte, doch da war etwas ausgesprochen Erschütterndes an dieser völlig gefühllosen Handlung des Targi.
Schnell lud der verschleierte Mann wieder nach, drehte sich um und hielt ROSS in Schach. Er war etwa ein Meter fünfundsiebzig groß, die durchschnittliche Größe der Männer seines Volkes, jedoch groß für einen Araber. Seine leichte Statur und seine geschmeidigen Bewegungen wiesen darauf hin, daß er jung sein mußte, aber seine bedrohliche Aura war alters- und zeitlos. »Sie bluten. Sind Sie verletzt?«
ROSS merkte erst jetzt, daß er seine schmerzende Schulter rieb, undließ augenblicklich die Hand an die Seite fallen. »Nichts von Bedeutung.«
»Sie werden mit uns nach Serevan gehen«, bestimmte der Targi, und es klang nicht wie eine Bitte.
»Als Ihr Gast oder Ihr Gefangener?« fragte ROSS trok-ken.
Die Art, wie der Targi seine Frage ignorierte, war Antwort genug.
Statt dessen gab er nun einem seiner Gefährten, der fast noch ein Junge war, auf Persisch einen Befehl.
»Aye, Gul-i Sahari«, antwortete der Junge. Dann stieg er ab und reichte dem Ferengi die Zügel seines Pferdes.
ROSS nickte zum Dank und warf dann dem Targi einen Blick zu.
»Bitte erlauben Sie mir, meinen Sattel und mein Zaumzeug zu holen.«
Der Targi nickte ungeduldig, und ROSS nahm dem toten Pferd das Geschirr ab. Der Sattel konnte in der Zukunft noch nützlich sein -
aber was noch wichtiger war: In dem Futter war eine beträchtliche Summe in Gold versteckt, die ROSS doch lieber bei sich trug. Er befestigte den Sattel auf seinem Packpferd und stieg dann auf.
Einen kurzen Augenblick wunderte ROSS sich über den Namen des Mannes, der sich überhaupt nicht nach Tuareg anhörte. Doch dann zuckte er die Schultern - es gab wichtigere Dinge, um die er sich Gedanken machen sollte. Es sah zwar
Weitere Kostenlose Bücher