Wilder als Hass, süsser als Liebe
Unförmigkeit ihres Gewandes aus, um Dinge ins Haus zu bringen, die sie brauchen würden, und andere, die sie auf die Reise mitnehmen wollten, herauszuschmuggeln. Abgesehen von Gold, Waffen und der Buskaschi-Kappe von Dil Assa, wollte ROSS nur seine Tagebücher mitnehmen, in denen er seine Beobachtungen über Turkestan und seine Einwohner aufgezeichnet hatte. Natürlich schwiegen die Bücher diskret über das weitaus interessantere Thema seines Privatlebens.
Zwei Dinge machten ROSS’ Hausarrest erträglich. Das Wichtigste waren die Nächte mit Juliet, die so erfüllend und leidenschaftlich waren, wie er es niemals für möglich gehalten hätte, und sie spiegelten sich in ihrer wunderbaren Kameradschaft in der übrigen Zeit wider. Obwohl der Tod eine allgegenwärtige Drohung war, kam es ROSS vor, als wäre er nie zuvor so glücklich gewesen.
Wahrscheinlich war es der Tod selbst, der jeden Augenblick mit seiner Frau so unendlich kostbar machte; es schien, als sollte ein ganzes Leben möglichen Glücks in eine Handvoll bezaubernder Stunden gedrängt werden.
Doch ihre Oase der Freude war umgeben von Schranken, die noch undurchdringlicher als die Mauern des Grundstücks waren. Die Themen, die nicht erwähnt werden durften, schlössen viel aus der Vergangenheit und alles aus der Zukunft ein - und keiner von beiden sprach jemals von Liebe.
ROSS’ andere Zerstreuung waren die Freunde, die ihn auch im Haus des Nawabs besuchten. In einer Stadt, in der es von Spitzeln wimmelte, bedurfte es einer ganzen Menge Mut, einen Mann zu besuchen, der beim Emir in Ungnade gefallen war. Zwei von drei Wachen waren stets im Empfangsraum dabei, wenn ROSS seinen Besuch bekam, was allein schon reichte, um alle Gespräche einzuschränken. Zudem mußte Persisch gesprochen werden, damit die Soldaten auch alles verstehen konnten.
ROSS stellte fest, daß es ihm viel nützte, Usbekisch zu verstehen, denn so schnappte er oftmals interessante Informationen auf. Die Wachen hatten eine Art von Wette abgeschlossen, ob Lord Kilburn sofort exekutiert oder erst noch in den Schwarzen Brunnen geworfen werden würde, und wenn letzteres eintraf, wie lange er dann wohl überleben würde.
Niemand bot eine Wette darauf an, daß der Ferengi gesund und munter Buchara verlassen würde.
Drei Tage waren vergangen, seit Juliet sich mit den Ka-sems getroffen hatte. Wie gewöhnlich war sie unterwegs. ROSS hatte den Nachmittag beim Schachspiel mit einem armenischen Händler verbracht, dessen vornehmes Auftreten seinen >Killerinstinkt< für das Spiel der Könige verschleierte. ROSS sagte ihm gerade Lebewohl, als drei weitere Freunde ankamen.
Die Neuankömmlinge waren bekannte Persönlichkeiten aus der ansässigen jüdischen Gemeinde, unter ihnen Ephraim ben Abraham, den ROSS bereits bei seinem ersten Besuch in Buchara kennengelernt hatte. Damals hatte Ephraim ROSS gebeten, einen Brief nach England mitzunehmen und ihn Moses Montefiore, einem Finanzier und großen Menschenfreund, zu geben, dessen Ruf sogar bis Turkestan reichte. Montefiore hatte dem Bu-charer eine Antwort geschickt, und nun, acht Jahre später, standen die beide immer noch in lockerer Korrespondenz.
Als ROSS zum zweiten Mal in Buchara angekommen war, hatte Ephraim ben Abraham ihn zu sich nach Hause eingeladen.
Nachdem der Jude ROSS seinen Dank ausgesprochen hatte, daß er seinen Teil zu der Kontaktaufnahme beigetragen hatte, bat er ihn um die letzten Neuigkeiten über Montefiore. ROSS hatte ihm also die Geschichte erzählt, wie der britische Philanthrop von der Königin zum Ritter geschlagen wurde, trotzdem einige Minister dagegen Widerstand geleistet hatten. Die junge Königin Victoria hatte erklärt, daß ein Brite ein Brite war und daß seine Religion dabei nicht zählte - eine Entscheidung, die in Buchara großen Beifall fand.
Noch berühmter war allerdings die Geschichte, wie der neu ernannte Sir Moses in den zeremoniellen Gewändern als Sheriff von London und Middlesex persönlich ein ko-1 scheres Huhn mit in die Guildhall, das Londoner Rathaus, gebracht hatte, damit er mit den anderen Würdenträgern essen konnte, ohne die Ernährungsregeln seines Glaubens zu verletzen. Die Zuhörer hatten vor Lachen gebrüllt, und ROSS mußte die Geschichte noch in anderen Häusern mehrmals wiederholen. Und nun, da er Hausarrest hatte, besuchten ihn seine Freunde statt dessen im Haus des Nawabs.
Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln und zeremoniellen Tassen von Tee mit Rosenwasser wandte sich Ephraim
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