Wilder als Hass, süsser als Liebe
sein. Ich weiß nur, daß ein Europäer immer noch im Schwarzen Brunnen dahinvegetiert.« »Er ist der König der Könige«, fügten seine Freunde hinzu. Mit mitfühlendem Blick endete Ephraim: »Gewiß ist das Wissen eine bittere Frucht, aber ein Bruder hat das Recht zu wissen, was mit seinem Bruder geschah.«
Bevor ROSS überlegen konnte, was er sagen sollte, betrat Abdul Samut Khan das Empfangszimmer.
Augenblicklich strahlte Ephraim in einem unschuldigen Lächeln.
»Ach, bitte, verehrter Kilburn, erzähl uns doch die Geschichte von Sir Moses Montefiores Hühnchen.«
ROSS hatte noch nicht begonnen, als der Nawab forderte: »Lord Kilburn, würdet Ihr bitte heute früh mit mir zu Abend essen?«
Dann wandte er sich zu den Juden um und meinte: »Ihr seid natürlich auch willkommen.«
Die Einladung kam nur der Form halber, und jeder der Anwesenden wußte es. Also erhob sich Ephraim ben Abraham und sprach: »Ihr ehrt uns sehr, Abdul Samut Khan, aber leider verbietet uns die Ernährungsvorschrift unseres Glaubens, anzunehmen. Es ist Zeit, zu gehen.«
ROSS stand ebenfalls auf und sagte seinen Gästen Lebewohl. Als er Ephraims Hand schüttelte, raunte er leise: »Ich danke euch für eure Lieder. Ich werde sie immer in meinem Herzen tragen.«
»So wie deine Lieder in unseren Herzen ruhen werden«, antwortete Ephraim. »Shalom, mein Bruder Kilburn.«
Nachdem sie gegangen waren, ahnte ROSS, daß er die drei wohl nicht wiedersehen würde, denn in ein paar Tagen war er entweder fort oder tot. Dann machte der Nawab eine ungeduldige Geste, und ROSS drängte seine wirren Gedanken beiseite. Er würde Zeit brauchen, all die Informationen zu verdauen, aber im Augenblick mußte er den liebenswürdigen Gast spielen.
Trotz der anfänglichen Eile seines Gastgebers verlief das Essen gemütlich. Als sie gesättigt waren, rief Abdul Samut Khan nach der nargileh, der Wasserpfeife. In der Öffentlichkeit zu rauchen, war ein Verbrechen, aber zu Hause war es gang und gäbe. Diese besondere nargileh war eine wunderschöne Handarbeit mit einem schön gravierten Glaskörper.
Das Wasser blubberte sanft, als der Nawab am beweglichen Mundstück sog. Er seufzte zufrieden, zog dann das Mundstück aus seinen Lippen und bot ROSS den Schlauch mitsamt einem anderen Mundstück aus Elfenbein an. »Bitte, raucht mit mir.«
ROSS hatte niemals Geschmack am Rauchen gefunden, aber wenigstens kühlte die Wasserpfeife den Rauch und machte ihn weniger abstoßend. Während er an der Pfeife sog, erkundigte sich sein Gastgeber: »Habt Ihr über das nachgedacht, was wir vor ein paar Tagen besprochen haben?«
Abdul Samut Khan hatte es also immer noch nicht aufgegeben, aus seinem Gast Gewinn zu schlagen.
»Ich habe darüber nachgedacht, und meine Antwort ist immer noch dieselbe«, antwortete ROSS, als er den Schlauch zurückgab.
»Ich habe weder das Gold, das dafür nötig ist, noch die Lust, den Emir zu hintergehen. Was sein wird, wird sein.«
Die Miene des Nawabs verhärtete sich, und er stopfte sich das Mundstück ruppig zwischen die Lippen. »Jawer Shahid Mahmud wird hierbleiben, um Euren Arrest zu überwachen. Natürlich ist er enttäuscht, daß er nicht mit in den Krieg ziehen darf, aber Eure Würde verlangt es, daß Ihr von einem ranghohen Offizier bewacht werdet.« Dann senkte er seine Stimme. »Obwohl er in meinem Haus Dienst tut, gehört seine Loyalität dem Emir. Und ich kann nicht voraussagen, was er tun wird, wenn die Kriegsberichte schlecht ausfallen.«
Mit anderen Worten, Shahid könnte sich entschließen, seinen Gefangenen zu ermorden, falls die Kämpfe nicht siegreich waren.
ROSS nahm erneut die nargileh und sog den Rauch tief ein, um ihn dann langsam auszuatmen. Es hörte sich ganz an wie ein nicht gerade dezenter Versuch, ROSS Angst einzujagen und ihn zur Flucht zu überreden. Und die Drohung war effektiv - wenn ROSS zwischen Shahid und Abdul Samut Khan hätte wählen müssen, dann hätte er sich für den Nawab entschieden, der zumindest vielleicht tat, wozu er bestochen worden war.
Doch zum Glück hatte ROSS eine Alternative. »Ich weiß Eure Sorge um mein Wohlergehen zu schätzen, aber mit Euren Fähigkeiten zur Führung der Artillerie kann die Armee doch nur im Triumph heimkehren.«
»Ihr habt eine geschmeidige Zunge, Lord Kilburn.« Der Nawab mußte widerwillig lächeln. »Ich kann nicht entscheiden, ob Ihr große Unschuld besitzt oder große Tücke. Doch genug von solchen Dingen. Um zu etwas Angenehmeren überzugehen, ich
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