Wilder als Hass, süsser als Liebe
wirkte sie wie ein Schattenkrieger ” unheimlich, schweigend und tödlich. Habib schwieg ganz und gar nicht, sondern stieß eine Litanei von schmutzigen Flüchen und Beleidigungen aus, während er zustieß und seine Augen blutrünstig funkelten.
Juliets kontrollierte, anmutige Bewegungen erinnerten ROSS an etwas, das er fast vergessen hatte: Als Kind hatte Juliet durch ihre Brüder gelernt, wie man focht. Als sie erfahren hatte, daß auch ROSS sehr gut mit dem Schwert war, hatte sie vorgeschlagen, gegeneinander zu fechten, aber er hatte rundweg abgelehnt. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, eine Waffe gegen seine Frau zu richten, auch nicht als Training.
Aber sie war gut, verdammt gut, in der verwandten Kunst des Messerkampfs. Weil sie kleiner als Habib war, hatte sie die bessere Reichweite und konnte seinen Angriffen erfolgreich begegnen. ROSS hatte das Gefühl, als ob er auf irgendeine seltsame Art mit ihrem Bewußtsein verbunden war, als teilte er ihren konzentrierten Blick, nahm jede kleinste Bewegung ihres Feindes auf und glitt genauso leichtfüßig auf dem rissigen Boden vor und zurück.
Juliet hätte Habib schon mehrmals töten können, denn seine wilden Vorstöße boten fast ständig ungeschützte Angriffspunkte, doch sie wartete offenbar auf eine Chance, ihn zu verstümmeln, ohne ihn umzubringen. Doch wie sollte das enden? ROSS verzweifelte langsam über seine Hilflosigkeit.
Dies war kein Ringkampf - in einem Messerkampf konnte jeder noch so kleine Fehler tödlich sein.
Er blickte über die wachsende Menge von Zuschauern in der Hoffnung, Abdul Wahab zu entdecken, den einzigen Mann, dessen Autorität den Kampf aufhalten konnte, doch der Kafila-Bashi war noch nicht aufgetaucht.
Plötzlich ertönte ein durchdringendes Kreischen von Metall auf Metall, gefolgt von einem kollektiven Aufkeuchen der Menge.
ROSS wirbelte wieder zum Kampfplatz herum. Die lange Klingen waren Griff an Griff ineinander verhakt, eine Position, in der Habibs Kraft ihm von Vorteil sein mußte.
So lebhaft, als würde er in Juliets Haut stecken, spürte ROSS, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannte, um den Dolch des Kameltreibers von sich fernzuhalten, doch unausweichlich drängten die beiden Klingen auf ihre Kehle zu.
Sie konnte noch nicht einmal nach ihm treten, ohne den Verlust ihres Gleichgewichts zu riskieren.
Als Juliets Kraft bis an die letzte Grenze getrieben war, drehte der Kameltreiber seinen Dolch mit soviel Druck, daß Juliet ihre eigene Waffe fallen lassen mußte, um sich nicht das Handgelenk zu brechen. Als das Messer klappernd zu Boden fiel, stieß Habib ein Triumphgeheul aus und stürzte voran, um den tödlichen Stoß auszuführen.
Wieder hielt nur Salehs eiserner Griff ROSS zurück -am nächsten Tag würde er schwache Druckstellen dort finden, wo sich die Finger des alten Mannes in seinen Arm gegraben hatten. Aber selbst wenn Saleh es ihm erlaubt hätte, sich einzumischen, konnte er tatsächlich nichts tun. Es war an Juliet, sich selbst zu retten.
Unbewaffnet wie sie war, reagierte sie mit einem kat-zenhaften Rückzug aus Habibs Reichweite. Es war unmöglich, ihren Dolch wiederzubekommen, denn der Kameltreiber stand direkt darüber. Sie bückte sich rasch und packte den vollen Wasserschlauch hinter ihr. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung öffnete sie ihn und stieß ihn dem Kameltreiber entgegen. »Wasch dich, Schwein«, knurrte sie.
Die Zuschauer brüllten vor verächtlichem Gelächter, als Habib wutentbrannt aufheulte und zurückstolperte, während er sich mit dem Ärmel das Wasser aus den Augen wischte. Als er endlich wieder etwas sehen konnte, hatte sein Gegner das Messer wieder in der Hand.
Sie hatte ihn lächerlich gemacht. Habib stürzte sich auf sie wie ein wütender Stier. Sie parierte den Messerstoß mit Leichtigkeit, doch diesmal war seine Strategie eine andere. Er rannte wie ein Rammbock in sie hinein, wart sie einfach um und sprang auf sie.
ROSS Nägel bohrten sich in seine Handflächen, so fest ballte er die Fäuste. Auch in dieser Position war Habibs Kraft von Vorteil. Und obwohl es augenblicklich von geringerer Bedeutung war, konnte er ihr zudem den Schleier abreißen oder genug von ihrem Körper fühlen, um sie als weiblich zu identifizieren. Gott allein wußte, was dann geschehen würde, aber ROSS hatte starke Zweifel, daß Habib plötzlich einem Anfall von Ritterlichkeit unterliegen würde.
Einen Augenblick lag Juliet still da, zu benommen von der Wucht ihres Sturzes.
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