Wilder als Hass, süsser als Liebe
verschaffen. »Nun müssen wir uns um seine Wunden kümmern.«
Im Licht der Fackel sah ROSS das Blut, das durch den ttiß in ihrem Gewand am linken Oberarm sickerte, den Är-^el durchweicht hatte und über ihre Hand von den Fin-Sern tropfte. Wortlos reichte er Saleh die Fackel, nahm seinen Turban ab und wickelte den Stoff einerseits zum
Abbinden, andererseits als Verband um ihren Arm. Juliej zitterte und ihre Hand fühlte sich klamm und kalt an. ROSS nahm an, daß sie einen Schock erlitten hatte.
Murad gesellte sich zu ihnen und schwärmte begeistert: »Du warst großartig, Jalal. Schnell wie eine Schlange und tödlich wie ein Löwe. Kannst du mir beibringen, wie man ein Messer so führt?«
Bevor Juliet antworten konnte, meinte ROSS: »Das könnt ihr einen anderen Tag ausmachen, Murad. Kannst du Wasser für uns holen?
Ich glaube nicht, daß Jalal die Aufgabe im Moment wiederholen sollte.«
Derart wieder in die Realität zurückgeholt, machte sich Murad daran, den leeren Wasserschlauch erneut zu füllen. Und da Saleh nicht von solch komplizierten Beschränkungen wie die zwischen ROSS und seiner Frau betroffen war, nahm er Juliets Arm und stützte sie, während sie sich zum Feuer zurückbegaben.
Sobald sie dort waren, legte ROSS seine Schlafdecke ans Feuer, damit Juliet in der Nähe der Wärme sitzen konnte. Dann warf er noch mehr Brennstoff aufs Feuer. Als sie sich mit gekreuzten Beinen niedergesetzt hatte, kniete Saleh sich neben sie und wickelte den Verband ab, um ihre Wunde näher zu betrachten.
Der Schnitt war gute fünfzehn Zentimeter lang und verlief diagonal an der Außenseite ihres Oberarms. Selbst mit der provisorischen Aderpresse blutete er immer noch.
Als Saleh mit der Untersuchung fertig war, sagte er mit besorgter Stimme: »Ich fürchte, das muß ausgebrannt werden.«
ROSS fluchte leise und warf Juliet einen Blick zu. Er wußte, daß sie akzeptierte, was Saleh gerade gesagt hatte, aber ROSS konnte sich nicht damit abfinden. »Das ist bestimmt nicht nötig«, meinte er zu Saleh.
»Ich würde es nicht empfehlen, wenn ich es nicht fur wichtig halten würde. Habib war ein dreckiges Schwein, und seine Klinge war nicht sauberer. Das Risiko, daß die Wunde sich entzündet, wenn wir sie nicht ausbrennen, ist zu hoch.«
Bevor ROSS etwas antworten konnte, seufzte Juliet: »Dann soll es sein.« Ihre Stimme klang, als würde sie gleich brechen. »Kilburn kann es tun.«
ROSS hatte das Gefühl, als ob eine eisige Hand sein Herz umschloß. War diese verdammte Frau entschlossen, ihn in den Wahnsinn zu treiben? Er hatte schon öfter Wunden ausgebrannt und einmal selbst die Prozedur erleiden müssen; der Gedanke, Juliet einen solchen Schmerz zuzufügen, war unerträglich. Lieber Gott, er hatte es als unmöglich empfunden, mit seiner Frau zu fechten, und das, obwohl sie stumpfe Waffen benutzt und Schutzkleidung getragen hatten.
Er öffnete den Mund, um zu sagen, daß Saleh es machen mußte, als er sich beim Anblick von Juliet eines anderen besann. Sie saß mit gekreuzten Beinen reglos da, hatte den Kopf gesenkt und starrte auf die Matte, auf der sie saß. Wie gewöhnlich war ihre Miene unter dem Schleier verborgen.
Doch obwohl sie ihn nicht ansah, wußte er durch das gleiche, unheimliche Gefühl der Verbindung zwischen ihnen, das er auch eben empfunden hatte, daß sie hinter ihrem stoisch ruhigen Äußeren erschüttert und voller Schmerzen war. Ihre Bitte, daß er das Ausbrennen vornehmen sollte, hatte nicht die Absicht, ihn zu quälen, sondern war ein seltsam berührender Akt des Vertrauens.
Er bezweifelte, daß es ihr bewußt war - wahrscheinlich hätte Sle ihn dann nicht darum gebeten. Aber da sie es getan hatte, durfte er nicht ablehnen.
»Also gut«, knurrte er brüsk. »Ich nehme meinen Dolch.«
Die Wahl schien angemessen, denn es war das wundervoll gearbeitete Messer, das Juliet ihm in Serevan ge-geben hatte. Das Kohlebett war der heißeste Teil des Feuers, also legte ROSS die Klinge mit dem Messerrük-ken nach unten über die glühenden Kohlen. Dann zog er ein Stück dicken Papiers aus seinem Gepäck, rollte es zu einer Röhre und blies ins Feuer, um die Temperatur noch zu erhöhen. Das Prinzip war dasselbe wie bei einem Schmiedeblasebalg. Allerdings wollte er kein Pferd beschlagen, sondern seine Frau brandmarken.
In den nächsten Minuten sprach keiner von ihnen. Mu-rad hatte das Wasser gebracht und setzte nun schweigend etwas für den Tee auf. Saleh benutzte ebenfalls etwas davon, um Juliets
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