Wilder Oleander
ihre leidenschaftliche Liebesnacht zurückdachte, fragte sie sich, ob seine Skepsis hinsichtlich dieses TS -Defekts berechtigt war und ob er Grund zu der Annahme hatte, dass sie unbewusst so etwas wie Sabotage gegenüber sich selbst begangen hatte. Wenn ja, warum?
Um ein Haar hätte sie David gestern Abend auch von der weißen Narzisse erzählt, deren Duft ihr im Garten in die Nase gestiegen war und den sie dann überall zu riechen meinte. Nur wäre das ein völlig neues Problem gewesen, mit dem sie ihn konfrontiert hätte. Im Augenblick stand die Schwangerschaft im Vordergrund.
Und wie mit ihr umzugehen war.
In aller Ruhe putzte sich Ophelia die Zähne, wusch sich das Gesicht und zog dann Outdoor-Hosen und eine Bluse an und, weil es morgens in der Wüste recht kühl war, auch noch eine Baumwolljacke. Wanderschuhe, Sonnenbrille und Hut vervollständigten den Aufzug. Sie legte David einen Zettel hin: »Mache einen Spaziergang, muss nachdenken. Bis gleich.« Sechs Stunden später war sie noch immer nicht zurück.
»Abilene Tyler«, gab Jack telefonisch seinem Freund im gerichtsmedizinischen Labor durch. »Ich glaube, sie stammt aus Texas. Durchsuch doch bitte die Geburtsregister der fünfziger Jahre, in Abilene und in Tyler, Texas.«
Jack beendete das Gespräch und während er in die Morgensonne blinzelte, die in seinen Garten fiel, fasste er einen Entschluss.
Er hatte diverse Gründe gefunden, weswegen er nicht sofort nach L. A. zurückgefahren war, als er Abbys Fingerabdrücke
sichergestellt hatte. Das hatte alles mit Nina zu tun, sagte er sich immer wieder. Aber nun war es an der Zeit, die Wahrheit zuzugeben. Abby Tyler selbst war der Grund, dass er hier noch verweilte. Sie übte eine Faszination auf ihn aus, der er sich immer schwerer entziehen konnte.
Aber nun musste er sich entziehen. Was immer sein Freund von der Gerichtsmedizin herausfand, würde Jack daheim in seiner Dienststelle in L. A. auswerten. Wo er seine Gefühle wieder unter Kontrolle bekommen konnte.
Er nahm seine Pistole, zog seine Lederjacke an und machte sich auf die Suche nach Abby.
Ihre Gedanken kreisten um Ophelia, als sie den Pfad entlangeilte und beinahe mit Jack zusammenprallte, als sie um die Ecke der Voliere bog.
»Detective!«, sagte sie. Auch an Jack hatte sie gedacht. An den Schmerz, den er empfand, und daran, dass sie ihm gern helfen würde.
»Wie gut, dass ich Sie treffe«, sagte Jack. »Ich habe gerade erfahren, dass ich dringend auf meiner Polizeistation gebraucht werde. Ich reise also ab.«
»Aber Sie haben doch bis Samstag gebucht«, sagte sie und machte sich klar, dass sie ihn danach wahrscheinlich nie wieder sehen würde.
Er mied ihren Blick. »Da kann man nichts machen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mich auf den nächstmöglichen Flug buchen könnten, der hier abgeht.«
David war außer sich vor Sorge. Wo war Ophelia abgeblieben?
Er kritzelte rasch eine Notiz für den Fall, dass sie während seiner Abwesenheit zurückkehrte, und begab sich auf die Suche nach jemandem, der ihm eventuell weiterhelfen könnte. Ein
Mitarbeiter begleitete ihn zu Abby Tyler, die an der Voliere stand und sich mit einem Mann in Lederjacke unterhielt.
»Dr.Messer«, sagte sie überrascht.
»Ich bin in Sorge, Ms. Tyler. Es sieht ganz danach aus, als sei meiner Verlobten etwas zugestoßen. Ophelia ist heute in aller Frühe zu einem Spaziergang aufgebrochen und noch immer nicht zurück. Das passt gar nicht zu ihr.«
Abby überspielte ihre aufkeimende Besorgnis. Zeb hatte in den letzten Tagen von ungewöhnlicher Umtriebigkeit von Kojoten berichtet. Mehrere Weibchen hatten in jüngster Zeit geworfen, und die Männchen suchten verstärkt nach Nahrung. »Es ist ihr bestimmt nichts passiert. Die Wanderwege um The Grove herum sind sicher und gut ausgeschildert.«
»Darum geht’s gar nicht. Sie ist schwanger.«
Abby zog ein kleines Walkie-Talkie aus ihrer Tasche und funkte Vanessa an. »Sag Zeb und den Männern von der Sicherheit, sie sollen mit allen verfügbaren Fahrzeugen die Gegend absuchen.« Blass und mit zitternder Stimme wandte sie sich an Jack: »Sobald ich dazu komme, werde ich mich um Ihre Reservierung kümmern, Detective.«
»Lassen Sie’s erst einmal gut sein«, erwiderte Jack. »Ich werde mich an der Suchaktion beteiligen.«
Kapitel 37
Sissy erwachte, räkelte sich genüsslich. Wann hatte sie sich jemals so wohl gefühlt?
Gestern, nach ihrer Rückkehr vom Abendessen mit Abby Tyler, hatte sie sich zwei ganz
Weitere Kostenlose Bücher