Wilder Oleander
Revolver, glaube ich … ja, mit einem Revolver.«
Salazar schaute zu Kenny. »Haben Sie den Mann gesehen?«
»Nein, aber ich kann Ihnen jeden, der die Kapelle verließ, genau beschreiben.«
»Das können Sie?«
»Ich habe ein gutes Gedächtnis.«
»Dann brauchen wir die Gästeliste für diese Hochzeit.«
»Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass er aus der Kapelle kam«, sagte Coco. Sie war erschöpft. Hellseherische Wahrnehmungen waren gelegentlich kraftraubend. »Darf ich mich jetzt in meinen Bungalow zurückziehen?«
»Ja, natürlich«, sagte Abby. »Einer meiner Leute wird Sie hinbringen.«
»Nicht nötig«, sagte Kenny. »Das übernehme ich.«
Schweigend legten sie den Weg durch die kühle Abendluft zurück. An ihrer Haustür angekommen, sagte Coco: »Mir ist schlecht. Als ich spürte, was in ihm vorging, war das, als ob
ich
die Absicht hätte, einen Mord zu begehen.«
Sie stand mit Kenny unter der Lampe ihrer Veranda, ohne den Schatten im nahen Gebüsch wahrzunehmen, den Schatten eines Mannes, der ihnen gefolgt war und jetzt zusah und lauschte – ein Mann mit einem Revolver.
Cocos Gesicht glich dem eines Gespensts, ihre Augen zwei dunkle Höhlen. Und so wie sie zitterte, wirkte sie auf Kenny nicht mehr wie die ungestüme Frau, die in seiner Show aufgestanden und unverfroren gesagt hatte: »Jetzt ich!«
»Hey«, beschwichtigte er sie und zog sie an sich. Er spürte, wie sie sich an seinem Hemd festkrallte, ihn nicht mehr loslassen wollte. Dass sie in seinen Armen zitterte wie ein verängstigtes Kätzchen. Er hatte nicht vorgehabt, sie zu küssen, nicht in einem solch erschütternden Augenblick, aber er konnte nicht anders. Und Coco erwiderte seinen Kuss, presste Trost suchend die feuchten Lippen auf seine, schlang die Arme um seinen Hals und zog ihn zu sich hinunter.
»Ich fürchte mich so«, flüsterte sie.
Zärtlich umfing er ihr Gesicht. »Coco«, sagte er, »ich weiß jetzt, wie wir unser Dilemma lösen können.«
»Lösen können.«
»Heirate mich«, sagte er, ohne zu ahnen, dass diese Bemerkung dem Mann im Verborgenen ein Lächeln entlockte.
Kapitel 35
Abby Tyler hatte ihr einen mit heißem Schokosirup übergossenen und mit Schlagsahne gekrönten Schokoladenkuchen angeboten, und genau so einen und dazu eine Flasche Cristal bestellte Sissy nach Rückkehr in ihren Bungalow beim Zimmerservice, um sich dann ein heißes Bad einlaufen zu lassen. Das Bestellte wurde umgehend gebracht. Aber auch wenn Sissy beim Anblick des üppigen Desserts das Wasser im Mund zusammenlief, wollte sie es erst später in aller Ruhe genießen.
Sie begab sich wieder ins Bad, öffnete den Champagner und stellte die Flasche auf der Marmorumrandung ab. In dem Augenblick, da sie aus ihrem Morgenmantel schlüpfen und in das Schaumbad steigen wollte, hörte sie ein Geräusch. Sie fuhr herum und sah einen Fremden im Türrahmen stehen. Wie war er hereingekommen?
Mit angehaltenem Atem starrte sie ihn aus dem nur von Kerzen erhellten Raum an. Groß gewachsen und schlank war er, trug einen schwarzen Anzug mit Nadelstreifen und sah irgendwie verwegen aus.
»Wer sind Sie?«
»Sicherheitsdienst. Sondereinsatz«, sagte er und musterte Sissy ungeniert, vor allem die Wölbung ihrer Brüste schien es ihm angetan zu haben. »Die Verwaltung schickt mich. Ich soll mich vergewissern, dass Sie okay sind.« Er öffnete den Knopf seines Jacketts. Sissy erhaschte einen Blick auf den Revolver,
der in seinem Hosenbund steckte, und schnappte nach Luft.
Als er näher kam, gewahrte sie seine dunklen Augen und die langen Wimpern, die ebenso schwarz und dicht waren wie sein Haar. Sein muskulöser Hals wurde von einem ausgeprägten Kinn teilweise verdeckt. Aber es war vor allem die Waffe, die Sissy rasendes Herzklopfen verursachte.
»Eine so hübsche Lady wie Sie«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, »sollte nicht allein baden. Alles Mögliche kann da passieren.«
Er griff nach ihrem Morgenrock, entblößte ihren Busen. Sissy stockte der Atem. Jetzt nahm er ein mit Champagner gefülltes Glas, nippte daran, bot daraufhin ihr einen Schluck an, und nachdem sie getrunken hatte, hielt er das Glas leicht schräg, sodass sich der Rest des Getränks über ihre blanken Brüste ergoss. Wie das prickelte! Und welch ein erregendes Gefühl!
Ohne sie aus den Augen zu lassen, trat er ein paar Schritte zurück und legte das Jackett ab, zog das Hemd aus. Sissy konnte den Blick nicht von dem Revolver lösen, der jetzt umso
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