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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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Augen überschminkte. »Alle Welt weiß, dass wir seit Jahren befreundet sind. Da braucht’s doch nicht viel, um an deine Fingerabdrücke heranzukommen. Und wie willst du beweisen, dass du bei diesem Überfall auf den Spirituosenladen, bei dem zwei Menschen umkamen, nicht am Steuer des Fluchtautos gesessen hast? Dass du da den Wagen längst sich selbst überlassen hattest?« Sie legte die Hand auf den Arm der Freundin. »Bitte, Vanessa, bring dich in Sicherheit. Mir zuliebe.«
    Aber Vanessa verschränkte die Arme und reckte das Kinn. »Ich gehe nirgendwo hin. Den Teufel werd ich tun, die Leitung dieses Resorts, das du geschaffen hast, Wildfremden zu
überlassen, nur damit sie es in kürzester Zeit in Grund und Boden wirtschaften.« Dann in ruhigerem Ton: »Du dagegen solltest gar nicht mehr hier sein. Zu riskant, Abby. Verschwinde, so lange das noch möglich ist. Ich kümmere mich um alles andere.«
    Abby schüttelte den Kopf. Die Begegnung mit Ophelia Kaplan stand noch aus. Wenn sie keine Ahnung davon hatte, dass sie adoptiert worden war, wollte Abby nichts davon erwähnen. Es würde ihr genügen, wenn sie die Überzeugung gewann, dass ihre Tochter ein erfülltes und glückliches Leben führte und geliebt wurde. Dann erst würde sie The Grove verlassen und keinen Blick zurückwerfen.
    »Ich treffe mich jetzt mit Ophelia. Wünsch mir Glück.« Die beiden Freundinnen umarmten sich.
     
    Ophelia und David hatten die ganze Nacht hindurch abwechselnd miteinander gestritten und sich geliebt. Bei Tagesanbruch war David erschöpft eingeschlafen.
    Ophelia hatte all ihre Vorbehalte zur Sprache gebracht, hatte eine Abtreibung in Erwägung gezogen und wieder verworfen, hatte sich selbst die Schuld gegeben, ihm, ihren Vorfahren. Am Ende wusste sie genauso wenig wie zu Beginn der Diskussion, wie sie mit der Schwangerschaft umgehen sollte. David hatte angeregt, dass Ophelia umgehend ihre Gynäkologin aufsuchte, um eine Fruchtwasserbestimmung durchführen zu lassen. Und wenn alles normal wäre, das Baby auszutragen. »Und wenn der Tay-Sachs-Test positiv ausfällt?«, hatte sie entgegnet.
    David hatte Zuflucht zu einer Floskel genommen. »Warten wir’s doch erst mal ab.«
    Jetzt, da das erste Licht des Tages durch das offene Fenster drang (Gott sei Dank hatte sie entdeckt, dass sich die Ansicht vom Eiffelturm wie eine Sonnenblende einrollen ließ), stand
sie an dem protzigen Marie-Antoinette-Bett und betrachtete den Schlafenden.
    Gestern Abend, bei seinem unerwarteten Auftauchen, war sie abwechselnd erleichtert und wütend gewesen. »Als du am Montag so überstürzt weggefahren bist«, hatte er gesagt, »ahnte ich, dass dich etwas bedrückt. Außerdem hast du nicht zurückgerufen.«
    Dass der Anrufbeantworter blinkte, war Ophelia völlig entgangen. Das hatte sie auch zugegeben, wenngleich gewusst, dass David diesem Umstand eine tiefere Bedeutung beimaß. Mit ihr sei alles in Ordnung, hatte sie ihm sagen und ihn wieder fortschicken wollen, aber weil dieser nicht nur gut aussehende, sondern auch verantwortungsbewusste Mann, vor dem sie sich nicht zu verstellen brauchte, nun einmal da war, nachdem Abby Tyler alle Register gezogen hatte, um für ihn noch einen Platz auf der Abendmaschine aus L. A. zu ergattern – »Sie war erstaunlich zuvorkommend«, hatte er gemeint –, war sie beiseite getreten und hatte ihn eingelassen.
    Die Eröffnung, dass Ophelia schwanger war, hatte er wie ein typischer Freudianer hingenommen – ruhig und unvoreingenommen. Er hatte sie gefragt, wie sie dazu stehe, und dann seinerseits Stellung bezogen. Wenn er entsetzt war, hatte er sich das nicht anmerken lassen. Ebenso wie er für sich behalten hatte, wie es seiner Meinung nach zu der Schwangerschaft gekommen war – dass sie ein unterbewusster Wunsch von ihr war, denn natürlich hätte sie wissen müssen, dass bei gleichzeitiger Einnahme von Tetracyclin eine orale Verhütung nicht mehr sichergestellt war, schon weil sie sich stets die Waschzettel der jeweiligen Medikamente durchlas. Auch die Frage, warum sie sich als Einzige aus beiden Familien niemals einem genetischen Test unterzogen hatte, war nicht angeschnitten worden; immerhin hatte David durch diesen Test erfahren, dass er TS -Träger war, und er hatte ja auch schon
einmal die Vermutung geäußert, Ophelia sträube sich dagegen, unter Umständen zu erfahren, dass ihr ein Makel anhaftete. Nichts davon war in dem langen Gespräch erwähnt worden. Und nun, da sie auf den Schlafenden blickte und an

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