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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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Anwalt wie auch der Priester bei nicht in Verbindung stehenden Unfällen ums Leben kamen. Es erging keine Meldung, dass gewisse Unterlagen aus ihren jeweiligen Büros abhanden gekommen waren, weil niemand außer ihnen davon gewusst hatte. Fallons Geheimnis blieb gewahrt, und nichts mehr hatte ihn daran gehindert, ganz
nach oben aufzusteigen, zum König von Las Vegas zu werden, mit Francesca als seiner Königin.
    Er klopfte leise an die Doppeltür ihrer Suite, weil es hin und wieder vorkam, dass die Tochter bereits schlief und er sie nicht wecken wollte. Aber sie war noch auf, ging, wie sie sagte, Verträge durch. Typisch für seine nüchtern denkende, aufs Wesentliche konzentrierte Tochter. Statt sich über Gästelisten und Blumenschmuck und welche Brautjungfer wo zu stehen hatte den Kopf zu zerbrechen, räumte Francesca Fallon ihrem Beruf oberste Priorität ein.
    Ihr Anblick katapultierte ihn wie immer zurück in die Nacht, da er sie erstmals in den Armen gehalten hatte. Seine Frau Gayane hatte nach der schweren, sich über Stunden hinziehenden Entbindung in einem See von Blut ihr Leben ausgehaucht. Später hatte er, das Baby im Arm, selbst wie ein Kind geweint, so herzzerreißend geschluchzt, dass heiße Tränen auf das kleine rosa Wesen getropft waren, in ihren offenen Mund. Seine Tränen waren das Erste gewesen, was Francesca von ihm zu spüren bekommen hatte.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass er sein Kind derart lieben würde. Wie ein Wirbelwind in der Wüste hatte ihn dieses Gefühl durchdrungen, hatte ihn vom Boden gehoben und gebeutelt, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war.
    Und ihm war klar geworden, dass sein eigener Vater ihn nicht im Stich gelassen hatte. Denn jetzt begriff Fallon, was Vaterliebe war, wie tief sie ging. Es war seine Mutter, die ihm den Vater vorenthalten hatte. Und deswegen hasste er sie noch mehr. In der Nacht, in der Francesca zur Welt kam, war er in das abseits gelegene kleine Haus gegangen, wo die Mutter gerade ihre Kellnerinnen-Uniform bügelte, und hatte ihr gesagt, sie würde nach Florida ziehen.
    Francesca war also aufgewachsen, ohne etwas von einer in
Miami lebenden irischen Großmutter namens Lucy Fallon zu ahnen.
    Ob es weitere Fallons gab, kümmerte Michael nicht. Die irische Seite seiner Abstammung verachtete er; umso lieber versteifte er sich auf sein italienisches Blut, und diese Leidenschaft vermittelte er auch seiner Tochter, indem er ihr beibrachte, ihr Abendgebet auf Italienisch zu sprechen und wie man in einem italienischen Restaurant eine Bestellung aufgab. Selbst ihr Name, Francesca, war italienisch. Als ein Baccara-Geber einmal, ohne sich etwas dabei zu denken, eine Bemerkung über ihre armenischen Augen gemacht hatte, war er auf der Stelle entlassen worden.
    Nur eins erzählte Michael seiner Tochter nicht – dass ihr italienischer Großvater höchstwahrscheinlich ein Gangster war. Damals, als Fallon gezeugt worden war, hatten sich jede Menge Italiener in Vegas aufgehalten: Michael Cornero, der König der westlichen Rumschmuggler, sowie sein Kompagnon Pietro Silvagni. Die beiden Typen aus Chicago, Vito Basso und Carlo Bellagamba. Die Ganoven aus Florida, Angelo Siciliano und Frank Taglia. Nicht zu vergessen der in Nevada beheimatete Joey »die Nase« Franchimoni. Michael wäre stolz gewesen, einen von ihnen zum Vater zu haben, mit Ausnahme von Franchimoni, dem daran gelegen war, das jüdische Pack aus Vegas zu verbannen, und mit dieser antisemitischen Einstellung Michaels besten Freund Uri Edelstein verprellt hatte.
    Natürlich waren inzwischen alle gestorben oder ausgestiegen, und Michael hatte es bis ganz nach oben geschafft, ohne dass ihm jemand irgendetwas anlasten konnte.
    Mit zwei Ausnahmen. Und bei beiden handelte es sich um Frauen.
    »Soll ich dir einen Drink machen, Daddy?« Francesca stand von ihrem Schreibtisch auf, schlank und rank, schimmerndes kastanienfarbenes Haar umspielte ihre Schultern. Eine glänzende
Anwältin mit einer glänzenden Zukunft. Alles bestens. Und nach dem Samstag würde man Mike Fallon nie wieder einen »bescheuerten Itaker-Bastard« nennen, wie damals in der Schule. Im Stillen klopfte sich Michael auf die Schulter, weil alles so gut gelaufen war. Francesca hatte keine Ahnung, dass die Begegnung mit Stephen von ihrem Vater eingefädelt worden war. Er hatte Stephen Vandenberg unter zwanzig in Frage kommenden Junggesellen ausgewählt und sich dann einen Plan zurechtgelegt: Ein Strohmann sollte sich mit dem Vorhaben,

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