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Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
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meinen Weg nach oben meistern, mir ein dickes Stück Kuchen von dieser Welt reservieren und es auf einem Platintablett Francesca offerieren.« Und Uri, der Mike besser kannte als alle anderen, war seinem Zauber erlegen und leistete ihm seither Gefolgschaft.
    »Ich habe Julio raufgebeten«, sagte Fallon und schenkte sich einen Scotch ein. Uri fragte sich, ob Mike sich mal wieder spendabel zeigte und Julio einen Bonus zukommen lassen wollte. Damit hielt er seine Angestellten bei der Stange.
    Auch Julios Grinsen war zu entnehmen, dass er, als er jetzt hereinbegleitet wurde, mit etwas in der Art rechnete.
    »Du leistest gute Arbeit, Julio.« Fallon klopfte dem Mittvierziger auf die Schulter. »Das wollte ich dir schon lange mal sagen.«
    Flankiert von zwei Leibwächtern – niemand trat Fallon allein gegenüber –, murmelte Julio bescheiden »danke«. Aber seine Augen glitzerten erwartungsvoll. Erst letzte Woche hatte Manny Rosenbloom einen nagelneuen Cadillac bekommen, weil er einen Falschspieler hatte hochgehen lassen. Man konnte nie wissen …
    »Hey.« Fallon klopfte Julio auf den Bauch. »Was ist denn das?
    Legst du dir da nicht ein bisschen zu viel zu?«
    »Du weißt doch, wie’s ist.«
    Fallon errötete und klopfte sich lachend auf den eigenen Bauch. »Ja, ja, wir kommen beide langsam ins Speckgürtelalter.«
    Und Julio lachte zustimmend.
     
    Fallon nippte an seinem Scotch. »Julio, ich hab gesehen, dass du dich heute Vormittag mit meiner Tochter unterhalten hast.«
    Julio zuckte die Schultern. »Ich hab hallo gesagt.«
    »Du hast deine Hand auf ihren Arm gelegt.«
    »Hab ich das?«
    »Sie trug Tenniskleidung. Ärmellos. Ihr Arm war nackt. Du hast ihn berührt.«
    »Hab ich das?«, sagte er nochmals. Unvermittelt traten ihm Schweißperlen auf die Stirn. »Daran kann ich mich gar nicht erinnern. Ich meine, ich wollte keineswegs irgendwie respektlos sein. Weißt du doch, Michael. Hab das nicht bedacht.«
    »Klar«, meinte Fallon leichthin. »Weiß ich. Wir alle handeln hin und wieder unbedacht. Trotzdem will ich nicht, dass jemand meine Tochter anfasst.«
    Er nickte den beiden Bodyguards so unmerklich zu, dass der erste Fausthieb völlig unerwartet kam. Er riss Julio den Kopf zur Seite, ein Zahn flog ihm aus dem Mund. Der zweite Hieb schnürte ihm die Luft ab, bewirkte, dass er sich vor Schmerz krümmte, und beim dritten ging er in die Knie. Die Männer boxten und traten abwechselnd auf ihn, jeder Treffer war begleitet von einem dumpfen Prall, und jedesmal stöhnte Julio auf, um dann zu verstummen, als das Knacken eines Knochens zu hören war und der Gepeinigte das Bewusstsein verlor. Blut rann ihm aus Nase und Mund und dem übel zugerichteten Gesicht.
    »Schafft ihn in die Wüste«, sagte Fallon abschließend. Er zupfte seine Manschetten zurecht und wandte sich an Uri: »Halte mich auf dem Laufenden in Sachen Abby Tyler. Ich geh nach oben und sag Francesca gute Nacht.« Das war Michaels allabendliches Ritual. Er schickte sich an, das Büro zu verlassen, blieb aber nochmals stehen. »Was ist?«, fragte er. Uri wölbte die Brauen.
    »Du machst so ein komisches Gesicht«, meinte Fallon.
    »Mach ich das?«
    »Schmeckt es dir nicht, wie ich mit Julio umgesprungen bin?«
    Uri schaute dem Freund in die Augen und spürte zum ersten Mal in den gemeinsam durchlebten vierzig Jahren so etwas wie Angst. »I-wo, Mike, alles in Ordnung.«
    »Hey.« Fallon legte Uri die Hand auf die Schulter. »Du und ich, wir kennen uns doch schon eine ganze Weile.« Fallon hatte Uri gebeten, als Pate für seine Tochter zu fungieren, und bei der Taufe, ein groß aufgezogenes Ereignis in einer katholischen Kirche, hatte Uri die Kippa getragen und über dem Taufbecken ein hebräisches Gebet angestimmt. Der Priester war leicht irritiert gewesen, aber den Gästen hatte es gefallen und Michael Fallon hatte vor Rührung geschluchzt wie ein Kind.
    Jetzt aber empfand Uri die Hand auf seiner Schulter als bedrückend. »Kein Problem«, sagte er und fühlte sich zum ersten Mal unter dem prüfenden Blick des Freundes unwohl.
    Der Augenblick zog sich in die Länge, Uris Adamsapfel tanzte auf und nieder, bis Fallon schließlich übers ganze Gesicht grinste und seinem alten Kumpel auf den Rücken klopfte. »War doch nur Spaß!«, lachte er und ging.
    Uri griff zum Taschentuch und tupfte sich die Stirn ab. Über Fallons brutale Art, Gerechtigkeit zu üben, hatte er sich nie ein Urteil erlaubt. Dennoch fand er es unangebracht, Julio derart zusammenzuschlagen.

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