Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilder Oleander

Wilder Oleander

Titel: Wilder Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Harvey
Vom Netzwerk:
Mike stand in diesen Tagen unter Strom, wegen der Hochzeit. Blieb nur zu hoffen, dass ihm kein Weiterer in die Quere kam.
     
    In der Highschool hatte sie als diejenige gegolten, die in einer verzwickten Situation am ehesten einen kühlen Kopf behielt, und ihre Freunde in der Harvard Business School hatten ihr
den Spitznamen Ms. Spock verpasst, in Anspielung auf die Serie »Raumschiff Enterprise«. Weil Francesca nichts aus der Fassung bringen konnte.
    Würden nicht alle überrascht sein und sich fragen, warum sie ausgerechnet diesen Mann heiratete?
    Sie war sicher nicht die Erste, die sich nur deshalb in die Ehe flüchtete, um ihrem übermächtigen Vater zu entkommen. Immerhin hatte
sie
sich für Stephen entschieden. Diese Genugtuung hatte sie. Außerdem hatte ihr Vater ihn im Gegensatz zu all ihren früheren Beziehungen auf Anhieb gemocht. Francesca besaß einen Harvard-Abschluss. Es war der Wunsch des Vaters gewesen, dass sie Wirtschaftsjuristin wurde. Wenn Francesca je einen eigenen Traum gehabt hatte, so war der längst vergessen. Sie hatte Stephen über einen gemeinsamen Mandanten namens Featherstone kennen gelernt, der eine Kette von Fitness-Studios aufziehen wollte. Nachdem sie Mr.Featherstone beste Chancen für ein derartiges Projekt attestiert hatte, hatte er einen Geldgeber aus Carson City hinzugezogen, Stephen Vandenberg. Während der monatelangen gemeinsamen Planung waren sie sich näher gekommen.
    Jetzt aber, nur vier Tage vor der Hochzeit, beschlichen Francesca leise Zweifel. War es wirklich Liebe, was sie für Stephen empfand? Ihr ganzes Leben lang waren ihre Gefühle von ihrem Vater beeinflusst worden. Sie hatten nur einander gehabt – keine Tanten oder Onkel oder Cousins. An ihren Großvater Gregory Simonian, der bei einem tragischen Unfall gestorben war, konnte sie sich nicht erinnern; sie war damals erst vier gewesen. Nichts, was Francesca tat oder fühlte, stand jemals außerhalb von ihrem Vater und ihrer Beziehung zu ihm. Wie konnte sie dann erwarten, sich über sich selbst im Klaren zu sein?
    Sie wusste, was diese neuerlichen Zweifel ausgelöst hatte: das Hochzeitsgeschenk ihres Vaters – ein niegelnagelneues Haus
in einer abgeschirmten Siedlung, unmittelbar neben seinem eigenen.
    Wo sie sich doch gewünscht hätte, mit Stephen nach Reno zu ziehen und fernab der Familie ihr gemeinsames Leben zu beginnen. Aber ihr Vater hatte sich, als sie über sein Geschenk nicht lauthals in Jubel ausbrach, derart verletzt gezeigt, dass sie klein beigegeben hatte. Sie würden also in Vegas bleiben. Zumindest, sagte sie sich wieder, habe
ich
Stephen auserwählt. Und diese Entscheidung, eine der wenigen, die sie allein getroffen hatte, war, wie sie fand, Grund genug, ihn zu heiraten.
    Etwa nicht?
    Als Fallon die oberste Etage des Hotels erreichte, musste er daran denken, wie er damals, als Francesca noch klein war, um ein Haar dies alles verloren hätte.
    Wie man sich erzählte, hatte 1941 ein verrückter Armenier namens Gregory Simonian, der im Auto von Los Angeles nach Las Vegas unterwegs war, am Rande des Highways angehalten, weil er pinkeln musste. Während er sich also erleichterte, umtost vom Verkehr, von diesen kalifornischen Dummköpfen auf dem Weg nach Glitter Gulch an der Fremont Street, wo sie ihr Geld verspielten, kam Simonian die Idee, dass man genau hier, vier Meilen südlich von Downtown, auf diesem Wüstenstreifen am Highway, bauen und diese Narren abfangen sollte. Man hielt ihn für übergeschnappt – ein Casino-Hotel in dieser gottverlassenen Gegend? Aber sein Plan ging auf. Die Spielwütigen hielten am Wagon Wheel an, blieben und zockten, und Simonian war ein gemachter Mann. Andere kamen und errichteten weitere Casinos in dieser so genannten gottverlassenen Gegend, die einstmals der Los Angeles Highway war, jetzt aber The Strip genannt wurde.
    Als junger Mann hatte Michael mitbekommen, dass man
Gregory Simonian Respekt zollte. Genau das wollte Michael für sich auch. Wie sich jedoch herausstellte, genügte es dafür nicht, der Schwiegersohn von Simonian zu sein. Michael wollte Vegas seinen Stempel aufdrücken. Das Wagon Wheel war noch immer das Wagon Wheel. Was fehlte, war ein Casino-Hotel, das alle anderen in den Schatten stellte.
    Sein Schwiegervater residierte damals in einem prächtigen Haus in bester Lage, eingebettet in saftiges, ständig bewässertes Grün. Eine Garage für sechs Autos. Simonian sah sich gerade im Fernsehen einen Boxkampf an, als Michael wegen der Umgestaltung des

Weitere Kostenlose Bücher