Wildes Begehren
ihm, den Kopf in diese Richtung zu drehen. Rio lag neben ihm und drückte ihm eine Wasserflasche in die Hand.
»Hier, trink. Du hast viel Blut verloren.«
Conner sah nur verschwommen, und alles tat ihm weh. Einfach alles. Sein Körper schien eine einzige Wunde zu sein. »Hab ich noch Haut auf den Knochen?«
»Nicht viel. Ich schätze, du wirst keinen schönen Anblick mehr bieten«, konstatierte Rio freundlich. »Dieser Bastard hat dich übel zugerichtet.«
Aus blutunterlaufenen Augen sah Conner ihn an. »Ein Schönling war ich noch nie.«
Rio schnaubte. »Oh doch. Deine Frau wird dir die Hölle heißmachen, dass du dich so hast verschandeln lassen.«
»Und deine kann zufrieden sein?« Conner hob den Kopf, um zu trinken. Das Wasser war warm und brackig, aber es schmeckte himmlisch. »Immerhin warst du so dumm, dich anschießen zu lassen.«
»Ich habe viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, wie ich das zu meinen Vorteil drehen kann«, erwiderte Rio. Er sah zu den Baumkronen auf, in denen sich Vögel sammelten. Wenn die glaubten, bald etwas zu essen zu bekommen, waren sie im Irrtum. »Ich bin ein Held, kapiert, ich habe mich zwischen dich und die Kugel geworfen.«
Conner verschluckte sich beim Trinken, und als er sich den Mund abwischte, verschmierte er Blut auf seinem Gesicht. »Aber so war’s nicht.«
»Ja, mein Freund, aber der Punkt ist, dass es so gewesen sein könnte.«
»Das ist doch Schwachsinn.«
»Tatsächlich?« Rio klang amüsiert. »Ich kann mich nicht
mehr so genau erinnern, aber immerhin habe ich ein faustgroßes Loch in der Brust.«
Nun war Conner an der Reihe verächtlich zu schnauben. »Das ist ja wohl leicht übertrieben. Versuchst du wirklich, dir eine Geschichte auszudenken, mit der du deine Frau besänftigen kannst?«
»Ich bin schon etwas länger verheiratet als du. Wenn man völlig zerschunden nach Hause kommt, gibt’s Schwierigkeiten. Ich spreche aus Erfahrung, du Anfänger, also hör gut zu.«
Conner versuchte zu lächeln, doch das tat zu weh. »Ich glaube, darüber brauche ich mir keine großen Sorgen zu machen. Ich werde gerade lebendig von diesen verdammten Würmern verspeist. In einer Stunde sind meine Knochen bestimmt blitzblank abgenagt.«
Rio brachte ein leises Lachen zustande. »Ich habe den ›Kommt uns holen, wir können nicht mehr‹-Knopf gedrückt.«
Conner bemühte sich, den Kopf zu drehen und die Umgebung zu überblicken. »Wir befinden uns nicht gerade auf einer Lichtung, auf der ein Helikopter aufsetzen könnte. Und eine Straße gibt es auch nicht. Ich werde mich besser mit den Würmern anfreunden. Ich rühre keinen Finger mehr, das schwöre ich.«
»Du Memme, ich habe immer gewusst, dass du ein Schlappschwanz bist.«
Conner lachte und fing sofort an zu husten. Wieder wischte er sich über den Mund, und als er die Hand zurückzog, war sie blutverschmiert. »Dieser verdammte Leopard hat mich böse erwischt.«
»Eine Zeit lang habe ich mir tatsächlich Sorgen um dich
gemacht. Der Kampf hat fast eine halbe Stunde gedauert. Dein Gegner war sehr stark«, sagte Rio. »Wie zum Teufel hast du das geschafft?«
»Wer weiß.« Conner schloss die Augen. »Der arme kleine Mateo. Erst behandelt ihn seine Mutter wie ein Stück Dreck, nur weil sein Vater seinen Anblick nicht ertragen kann, und dann verliert er auch noch seine Adoptivmutter – indem sie vor seinen Augen ermordet wird.«
Rio schwieg einen Augenblick. »Das mit deiner Mutter tut mir leid, Conner.« Er zögerte. »Wirst du den Jungen zu dir nehmen?«
»Er ist mein Bruder.«
»Dein Halbbruder«, betonte Rio. »Du hast keine Verpflichtung ihm gegenüber.«
»Er ist mein Bruder«, wiederholte Conner störrisch. »Ich weiß, wie es ist, wenn man sich ungeliebt fühlt, auch wenn meine Mutter, anstatt mich herzugeben, den Alten verlassen hat, um mir ein schönes Leben zu bereiten. Ich lasse es nicht zu, dass dieses Ekel den Jungen zerstört. Ich nehme ihn zu mir«, sagte er nachdrücklich. »Isabeau unterstützt mich.«
»Und wenn es nicht so wäre?«
Conner sah Rio an. Seine blutunterlaufenen Augen glänzten golden. »Dann wäre sie nicht die Frau, für die ich sie gehalten habe. Ich überlasse den Jungen nicht seinem Schicksal.«
Das Lächeln, das sich langsam über Rios Gesicht breitete, ließ seinen strengen Mund weicher wirken. »Du bist ein guter Mensch, Conner.«
»Das ist doch Quatsch.«
»Schon möglich.« Rio grinste ihn an. Dann wurde aus
dem Grinsen ein Stöhnen, und er senkte den Kopf. Sein
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